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Somnambulismus – Schlafwandeln

    Kurzdefinition: Schlafwandeln ist eine Aufwach-Störung, bei der bestimmte Teile des Gehirns wach sind, während andere Teile noch schlafen, sodass man auch von einem unvollständigen Erwachen spricht.

    Somnambulismus wird zur Untergruppe der Parasomnien gezählt wird, also zu den Schlafstörungen, die beim Erwachen, bei teilweisem Erwachen oder bei einem Schlafstadienwechsel auftreten und den Schlafprozess unterbrechen. Beim Schlafwandeln werden in der Tiefschlafphase motorische Programme abgerufen, die während des Schlafes nicht vorgesehen sind, d. h., der Abschaltmechanismus, der im Schlaf normalerweise die Skelettmuskulatur lahmlegt, funktioniert in diesen Fällen nicht. Früher wurde der Somnambulismus als Mondsüchtigkeit bezeichnet, von der sich auch der in Bildern verewigte Schlafwandler auf dem Dach, der im Mondenschein herumgeistert, und dadurch diese unrichtigen Vorstellungen herleiten lassen, die Menschen mit Schlafwandeln verbinden. Schlafwandler orientieren sich zwar grundsätzlich an Lichtquellen, aber das kann auch eine Straßenlaterne oder ein Autoscheinwerfer sein.

    In einer französischen Studie wurde das Schlafverhalten von hundert Schlafwandlern untersucht, wobei knapp ein Viertel der Schlafwandler jede Nacht unterwegs ist, fast die Hälfte einmal pro Woche, bei den meisten begann es im Alter von neun Jahren und viele Betroffene berichteten, dass Schlafwandeln bei ihnen familiär bedingt ist.

    Schlafwandeln zählt zu den rätselhaftesten Phänomenen der Gehirnforschung, denn was aich im Gehirn von Schlafwandlern ereignet, ist noch wenig erforscht. Schlafwandeln beginnt meist mit einem plötzlichen Aufrichten im Bett, die Betroffenen schauen sich mit offenen Augen um, wobei der Gesichtsausdruck starr bleibt. Entweder sie schlafen dann weiter oder sie verlassen das Bett und vollführen dabei scheinbar sinnvolle und komplexe Handlungen. Solche Episoden dauern meist nur wenige Minuten, eher selten sind Betroffene bis zu einer halbe Stunde ativ. Schlafwandler sind dabei zu allem fähig, was sie auch im Alltag automatisch und routiniert beherrschen, d. h., sie können sich etwa scheinbar normal mit einem anderen Menschen unterhalten, Speisen zubereiten, Abwaschen, Türen öffnen und schließen oder auch Stiegen steigen. Man hat auch Fälle von Sleep driving gefunden, also Menschen, die im Tiefschlaf ein Auto steuern. Schlafwandler können in dieser Phase aber nur solche Dinge, die sie auch im Wachzustand beherrschen, sodass der Schlafwandler, der ohne Probleme auf dem Dach balanciert, in den Bereich der Erfindung gehört. Dennoch setzen sich Nachtwandler einem erheblichen Verletzungsrisiko aus, denn ihre Koordination ist schlecht, sie stolpern häufig und sind gefährdet, wenn sie nachts die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen oder eine Tür mit einem Fenster verwechseln.

    Nach Untersuchungen tritt das Phänomen am häufigsten bei Kindern zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr auf, seltener im Erwachsenenalter, wobei etwa jedes sechste Kind bis zum Alter von acht Jahren wenigstens einmal geschlafwandelt ist, wobei man als Ursache vermutet, dass sich in dieser Phase das Gehirn noch stark entwickelt.  Schlafwandeln bei Kindern kann etwas mit der Gehirnreifung zu tun haben, d. h., das Gehirn muss sich noch entwickeln und ständig neue Dinge lernen und trainieren. Bei vielen tritt das Phänomen auch in der Pubertät auf und kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, wobei sich manche nur kurz im Schlaf aufsetzen und das selber gar nicht bemerken. Vermutlich handelt es sich um ein Ausreifungsdefizit des Gehirns. Solche Fehlverschaltungen der Nervenzellen im Gehirn wachsen sich meist bis etwa zum 25. Lebensjahr aus. Es gibt auch einen gewissen Zusammenhang mit Nachtängsten.

    Betroffene empfinden bei ihren nächtlichen Ausflügen meist keinerlei Angst, was riskante Handlungen während des Schlafwandelns erklärt, aber keineswegs bedeutet, dass Schlafwandlern unterwegs nichts passieren kann. Die sogenannte traumwandlerische Sicherheit gibt es daher in Wahrheit nicht. Eltern schlafwandelnder Kinder sollten daher Vorkehrungen treffen, wozu gehört, gefährliche Gegenstände aus dem Kinderzimmer zu räumen sowie Außentüren und Fenster zu verschließen. Schlafwandelnden Kindern sollte man ruhig zusprechen und sie wieder ins Bett bringen, keinesfalls sollte man sie wecken, denn sie schlafen anschließend weiter und wissen am Morgen nichts mehr von den Ereignissen der Nacht. Eltern können mit Maßnahmen zu besserer „Schlafhygiene“ vorbeugen, etwa mit einem stabilen Schlaf-Wach-Rhythmus, regelmäßigem Zubettgehen, Einschlafrituale und wenig äußeren Reizen vor dem Schlafen, denn Schlafmangel und Stress können bei Menschen Auslöser sein.

    Bei Erwachsenen wird Schlafwandeln manchmal mit bestimmten Anfallsleiden verwechselt, wie etwa Verwirrtheitszuständen. Ein Erwachsener, der zum ersten Mal schlafwandelt, sollte zum Neurologen gehen, um andere Erkrankungen auszuschließen. In einem neurologisch-psychiatrisches Schlaflabor lässt sich abklären, ob es sich nicht um eine REM-Schlafverhaltensstörung handelt. Anders als Schlafwandeln tritt sie in der Traumphase des Schlafes auf, und manche ihrer Symptome sind ähnlich, denn Betroffene sind nachts unruhig, sprechen im Schlaf, kämpfen oder fallen aus dem Bett. Menschen mit der REM-Schlaf-Verhaltensstörung (REM sleep behavior disorder), die häufig zusammen mit Parkinson auftritt, geistern wie Schlafwandler  herum, aber im Unterschied zu diesen träumen diese nur, denn ihr Gehirn hat es versäumt, sich wie bei Schlafwandlern vom motorischen Körper abzukoppeln. Daher leben sie ihre Träume in der wirklichen Welt aus und beginnen, da sie häufig Albträume haben, zu randalieren. Schlafwandler agieren nur, während Menschen mit einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung auch reagieren, doch sind sie ebenfalls wie Schlafwandler für das, was sie dabei tun, nicht verantwortlich wie gesunde Träumer für das, was sie im Schlaf tun.
    Übrigens: Nur etwa die Hälfte der Schlafwandler kehrt wieder ins Bett zurück.

    Es gibt verhaltenstherapeutische Übungen, die das Schlafwandeln positiv beeinflussen können, in manchen Fällen nützen auch Benzodiazepine, die aber abhängig machen. In jedem Fall sollten Betroffene Alkohol meiden, denn durch diesen verlängert sichin der Regel der Tiefschlaf, also die Phase des Schlafwandelns. Auch sollte man regelmäßige Schlafzeiten einzuhalten und die Reize durch Fernsehen oder Computerspiele vor der Nachtruhe vermeiden.

    REM-Schlafverhaltensstörungen können daher sehr frühe Anzeichen für Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer und Demenz sein. Bei Schlafwandlern werden die Delta-Wellen des Tiefschlafs etwas unruhig und es mischen sich schnellere Frequenzen dazwischen, d. h., es geraten die Gehirnströme etwas aus dem Takt. Es gibt im Gehirn einige Regionen im Inneren, die im Tiefschlaf normalerweise nicht benötigt werden und deshalb relativ wenig aktiv sind, wie etwa der Thalamus, der aber bei Schlafwandlern jedoch aktiv bleibt. Vom Gehirn aus betrachtet ist Schlafwandeln demnach ein Phänomen an der Grenze zwischen Tiefschlaf und Wachbewusstsein, eine Art unvollständiges Aufwachen. Und tatsächlich verhalten sich die Betroffenen oberflächlich, als wären sie wach.


    Warum Menschen im Schlaf nicht aus dem Bett fallen
    Der Mensch bewegt sich hauptsächlich nur in der Leichtschlafphase, wenn das Gehirn die Signale des Körpers unbewusst verarbeitet. Wenn der Körper etwa signalisiert, dass der Rücken im Schlaf schmerzt, gibt das Gehirn den Muskeln das Signal, sich auf die Seite oder den Bauch zu drehen. Bei Kindern ist dieser Prozess noch nicht ausgereift, da das kindliche Gehirn erst noch lernen muss, die unbewussten Signale im Schlaf zu verarbeiten und die Bewegungen richtig zu steuern. Dies geschieht auch bei Erwachsenen, wenn sie betrunken oder krank sind, denn so können Menschen mit Lähmungen leichter aus dem Bett fallen, da ihr Gehirn die Motorik nicht mehr richtig steuern kann. Ach bei Demenz oder dem Parkinson-Syndrom kann es zu Störungen der Tiefschlafphase kommen, so dass geträumte Bewegungen aktiv ausgeführt werden, was dazu führen kann, dass der Betroffene aus dem Bett fällt (Stangl, 2011).


    Literatur

    Stangl, W. (20113, 22. März). Im Schlaf aus dem Bett fallen? arbeitsblätter news.
    https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/im-schlaf-aus-dem-bett-fallen/.
    http://www.echo-online.de/ratgeber/gesundheit/Schlafwandeln-mit-erheblichem-Risiko;art486,1224799 (10-09-29)
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SCHLAF/REM-Phasen.shtml (10-03-03)
    http://www.swr.de/blog/1000antworten/antwort/14608/was-passiert-beim-schlafwandeln-im-gehirn/ (12-12-17)


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