Zum Inhalt springen

Enaktivismus

    Der Enaktivismus ist ein theoretischer Ansatz innerhalb der Kognitionswissenschaften und basiert auf der Vorstellung, dass intelligentes Verhalten sich aus der Interaktion von Lebewesen mit ihrer Umwelt entwickelt. Im Enaktivismus definiert sich Wahrnehmung auf einer phänomenologischen Basis als Emergenz aus der Interaktion zwischen Subjekt und Welt, wobei sich aus dieser Interaktion intelligentes Verhalten von Lebewesen entwickelt.

    Der Enaktivismus wendet sich gegen ältere Ansätze der Kognitionswissenschaften, die Geist allein auf mentale Repräsentationen zurückführen wollen, und versteht sich als Alternative zu Kognitivismus und Dualismus.

    Der Enaktivismus versteht Kognition als ein grundsätzliches Merkmal lebender Organismen, das erst in der aktiven Interaktion autonomer und adaptiver Systeme mit ihrer Umgebung hervorgebracht wird, wobei höhere kognitive Leistungen eine Weiterentwicklung jenes grundlegenden Prozesses der Sinnstiftung sind, durch den Lebewesen die sie umgebende Welt perspektivisch in einen Ort von subjektiver Bedeutung und damit in eine Umwelt im eigentlichen Sinne transformieren. Der Enaktivismus betont die Kontinuitätsthese von Leben und Geist, wonach lebendige Systeme kognitive Systeme sind und der Prozess des Lebens ein Prozess der Kognition darstellt. Die Gleichsetzung der Kognition als Prozess der Sinnstiftung mit der Interaktion autonomer und adaptiver Systeme mit ihrer Umgebung bedeutet, dass lebende Organismen immer schon autonom und adaptiv sind, denn Leben und Kognition sind insofern eins, als höhere kognitive Leistungen denselben Prinzipien folgen, die auch schon bei einfachsten Lebensformen zu finden sind, auch wenn Kognitionen in Menschen anders ausgeprägt sind als etwa in Einzellern. Kognition ist für den Enaktivismus also eine ganzheitliche verkörperlichte Interaktion eines Individuums mit seiner Umwelt und ist im Wesentlichen ein relationales Phänomen (Stangl, 1989).

    Nach der These des Enaktivismus basiert etwa die Plastizität des Nervensystems nicht auf Verbindungen wie jene von Stromkabeln durch Steckverbindungen, sondern darauf, dass ihnen ein empfindliches, dynamisches Gleichgewicht zugrunde liegt. Genauer gesagt interagieren Zellen anhand von Stellen, deren Regionen ebenfalls ein Gleichgewicht darstellen. Eine unglaubliche Anzahl von Elementen moduliert eben jene Stellen und löst örtliche strukturelle Veränderungen aus, wobei diese Auslöser für die Veränderungen ihrerseits von durch das Blut transportierten und die Neuronen umspülenden Produkte der Aktivitäten anderer Zellen ausgelöst werden. Der gesamte Prozess ist stets Teil der durch die Interaktionen des Organismus in dem ihm eigenen Milieu ausgelösten Dynamik. Das Nervensystem verfügt dabei über eine operationale Geschlossenheit, sodass es aufgrund dieser Tatsache weder solipsistisch noch repräsentationistisch ist. Solipsistisch versteht sich hier als Teil eines allgemeinen Prinzips dialektischer Natur und bildet eines der extremen Pole zweier sich gegenüberstehender ‚Ismen‘. Gegen die Annahme, die Arbeitsweise des Nervensystems sei solipsistisch spricht, dass es an den Interaktionen des Organismus mit seiner Umgebung teilnimmt, indem es etwa Aufgabe erledigen muss. So können solche Agenten, die in einer realen oder virtuellen Welt existieren, visuelle Eigenschaften verschiedener Objekte dazu verwenden, um ihre Ungenießbarkeit oder Essbarkeit zu bestimmen. Ein motorisches System ermöglicht es, sich in dieser ihrer Welt zu bewegen und Essbares entweder zu umgehen oder anzusteuern. Das motorische sowie das sensorische System solcher Agenten ist in einem kognitiven Netzwerk, das auch die für den Antrieb wichtigen Informationen wie etwa die Information Hunger implementiert. Somit werden mit der Verknüpfung von Hunger mit der Essbarkeit von Objekten Anreize geliefert, um eine Bewegung hin zu einem definierten, gewünschten Ziel anzuregen, wobei alle gewünschte Handlungen mit einer solchen Art der Verknüpfung gesteuert werden können.

    Der Begriff geht  auf das Buch „Der Baum der Erkenntnis“ von Humberto Maturana und Francisco Varela zurück.

    Literatur

    Maturana, H. & Varela, F. (1987). Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. München: Goldmann.
    Stangl, Werner (1989). Die Psychologie im Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn.


    Impressum ::: Datenschutzerklärung ::: Nachricht ::: © Werner Stangl :::

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert