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implizites Lernen

    Beim impliziten Lernen sind Lernziele und Lernablauf nicht bekannt bzw. nicht bewusst. Das implizit Gelernte kann abgerufen werden, obwohl die Aufmerksamkeit während des Lernvorgangs nicht darauf gerichtet war. Implizites Lernen ist also nicht geplantes Lernen, sondern eines, das sozusagen nebenher abläuft. Die Namen der Klassenkameraden hat man in der Schule niemals jemand abgefragt und doch kannten man sie besser als die abgefragten Lateinvokabeln. Hier könnte man wenigstens noch sagen, dass man zwar nicht bewusst auswendig gelernt hat, aber doch einige Anreize hatte, die Namen recht bald zu beherrschen.

    Da menschliche Informationsverarbeitung nur teilweise bewusst und kontrolliert verläuft, bleiben viele Wahrnehmungen und Gedächtnisleistungen aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit unbewusst. Trotzdem können sie das Verhalten beeinflussen, welches daraufhin automatisch und ohne bewusste Steuerung abläuft. Eine charakteristische Form des impliziten und damit unbewussten Lernens bzw. Gedächtnisses ist das Priming. Priming bedeutet Bahnung und bezeichnet das Phänomen, dass das menschliche Gehirn auch dann Reizwahrnehmungen verarbeitet, wenn man es gar nicht bemerkt. Dies geschieht an den Randbereichen der Aufmerksamkeit, z. B. wenn ein Reiz so kurz präsentiert wird, dass er unter der Wahrnehmungsschwelle bleibt, und ebenso in Zuständen der Bewusstlosigkeit wie Schlaf oder der Narkose.

    Diese Wahrnehmungen aktivieren Gedächtnisinhalte, die bei folgenden Reizen bestimmen, wie schnell diese verarbeitet werden, wie konkret sie erkannt werden, oder, bei uneindeutigen Reizen, wie sie interpretiert werden. Ein konkretes Beispiel kann dies etwas verdeutlichen:

    Beispiel: Man erhält eine lange Liste von Ziffern und müssten „raten“, welche als jeweils nächste kommt. Die Liste sieht auf den ersten und den zweiten Blick völlig unregelmäßig aus und dementsprechend sind die anfänglichen Leistungen ganz viele falsche Vorhersagen, unterbrochen von seltenen Glückstreffern. In solche Listen versteckt man in Experimenten unauffällige Regeln, die vielleicht noch nicht einmal immer gelten, etwa dass in 80% der Fälle auf eine 5 eine 8 folgt. Es kann unter diesen Umständen sein, dass man nach einiger Zeit diese Regel gelernt hat und sich danach verhält, ohne dass das überhaupt bewusst ist. Man würde der Versuchsleiterin auf deren offene Frage sagen, dass man immer noch genauso herumrät wie am Anfang, aber diese würde bei einem Blick in die Auswertung merken, dass man ab etwa 1000 Durchgängen nach einer 5 ein wenig häufiger eine 8 vorhersagt und damit auch in 8 von 10 Fällen richtig liegt. Das Verhalten hat sich also schon der Regelmäßigkeit angepasst, aber man selbst hat noch keine Ahnung davon, dass das so ist.

    Siehe dazu auch den Versuch von Jacoby, Woloshyn & Kelley (1989), bei dem Probanden und Probandinnen eine Namensliste vorgelegt und ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Namen auf dieser Liste von nicht berühmten Personen stammen. Eine Gruppe der Personen wurde während des Lesens der Liste durch die Bearbeitung einer weiteren Aufgabe abgelenkt. Die andere Gruppe konnte sich die Liste ohne Ablenkung durchlesen. Anschließend sollten die Probanden und Probandinnen auf einer weiteren Liste, die einige Namen von der vorherigen Liste und neue Namen enthielt, die Berühmtheit der genannten Personen einschätzen. Es zeigte sich, dass die Probanden und Probandinnen, die beim Lesen der ersten Liste abgelenkt waren, Personen, die auf beiden Listen erwähnt wurden, als berühmter einschätzten. Sie bemerkten nicht, dass sie diese Namen nur auf Grund des vorherigen Lesens wiedererkannten, sondern führten die Vertrautheit auf die angebliche Berühmtheit der Person zurück. Die andere Gruppe hingegen konnte sich noch daran erinnern, dass die Namen auf der ersten Liste von nicht berühmten Personen stammten und hielten sie deshalb auch nicht für berühmt. Daran wird deutlich, dass aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit nur unbewusst verarbeitete Informationen menschliche Urteile beeinflussen können. Vor allem die Werbung vertraut auf diese Form des beiläufigen Lernens.

    Ältere Menschen beim impliziten Lernen manchmal besser als jüngere

    In einer Studie (Biss et al., 2013) zum Einfluss von Distraktoren auf die Gedächtnisleistung mussten jüngere und ältere Studienteilnehmer eine Liste von 16 Wörtern lernen. Danach erfolgte eine Prüfung der Behaltensleistung, bei der die jüngeren erwartungsgemäß besser abschnitten. Vor der zweiten Prüfung der Behaltensleistung wurden den Probanden nacheinander Bilder präsentiert, wobei sie bei jedem neu gezeigten Bild angeben sollten, ob es sich dabei um das gleiche Bild wie das zuvor gezeigte handelt. Am Rande des Bildschirms wurden hin und wieder acht der zunächst gelernten sechzehn Wörter präsentiert, wobei die Studienteilnehmer sich nicht von der eigentlichen Aufgabe ablenken lassen sollten. Insgesamt schnitten beim Behaltenstest die jüngeren Teilnehmer sowohl direkt nach dem Einprägen als auch nach der Zwischenaufgabe deutlich besser ab als die älteren, jedoch war die Erinnerungsleistung bei jenen acht Wörtern, die am Rand des Bildschirms präsentiert worden waren, bei den älteren Probanden besser. Die Studie  belegt neuerlich, dass bei Aufgaben, in denen in kurzer Zeit Informationen aktiv zu lernen sind, jüngere Menschen überlegen sind. Beim impliziten Lernen schneiden ältere Menschen jedoch besser ab, denn offensichtlich entwickeln Menschen im Laufe ihres Lebens die Fähigkeit zu lernen ohne aktiv zu lernen.

    Vergleiche hierzu explizites Lernen.

    Literatur
    Biss, R. K., Ngo, K. W. J., Hasher, L., Campbell, K. L., & Rowe, G. (2013). Distraction can reduce age-related forgetting. Psychological Science, 24, 448-455.
    Hell, Wolfgang (2010). Der Sechste Sinn und die unbewusste Wahrnehmung.
    WWW: http://www.gwup.org/component/content/article/999-von-schafen-und-ziegen (10-09-26)
    Jacoby, L. L., Woloshyn, V. & Kelley, C. M. (1989). Becoming famous without being recognized: Unconscious influences of memory produced by dividing attention. Journal of Experimental Psychology: General, 118, 115-125.
    Stangl, Werner (2009). Latentes, passives, implizites, inzidentelles oder informelles Lernen. [werner.stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEDAECHTNIS/ModelleInhalt.shtml (09-07-28)
    http://www.gehirnlernen.de/lernen/grundlagen-des-lernens/implizites-lernen/ (11-12-12)


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