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Primacy-Recency-Effekt

    Als Primacy-Recency-Effekt bezeichnet man in der empirischen Psychologie jene Urteilsverzerrung, die durch die Reihenfolge der zu beurteilenden Objekte zustande kommt. Die Verzerrung tritt dann auf, wenn als erstes Objekte mit extremer Merkmalsausprägung beurteilt werden, sodass die Beurteilung der folgenden Objekte dann im Sinne eines Kontrastes von der Beurteilung des ersten Objekts abhängen kann.

    Will man also anderen Menschen wichtige Informationen vermitteln, dann muss man diese an den Anfang und das Ende seiner Erklärungen stellen, denn die Informationen, die man bei einer Argumentation zuerst oder zuletzt hört, merkt man sich am ehesten und machen den größten Eindruck. Das ist übrigens ein Grund, warum beim Verfassen von Werbetexten besonders auf deren Anfang und Ende geachtet wird.

    Daher sollte man auch bei Kindern, denen man etwas erklärt, die wichtigsten Botschaften konsequent an den Anfang und Schluss stellen. Diesen Effekt kann man übrigens auch zum Beeinflussen von Entscheidungen nutzen, denn Studien zeigen, dass die am Anfang und Ende genannten Argumente auf Entscheidungen den größten Einfluss besitzen. Daher sollte man sich genau überlegen, in welcher Reihenfolge man seine Argumente vorträgt.

    Beeinflusst wird dieser vermutlich auch von der Sprache, denn es gibt Rechtsverzweigungssprachen wie Italienisch, in welcher der Satzkopf normalerweise an erster Stelle steht, gefolgt von einer Abfolge von Modifikatoren, die zusätzliche Informationen über diesen Satzkopf liefern (Beispiel: Der Mann, der an der Bushaltestelle saß), und es gibt Linksverzweigungssprachen wie etwa Japanisch, denen solche Modifikatoren im Allgemeinen den Satzköpfen vorangehen (Beispiel: Wer an der Bushaltestelle saß, der Mann). In Rechtsverzweigungssprachen können Sprecher Informationen daher in der Reihenfolge verarbeiten, wie sie im Satz vorkommen, da Satzköpfe zuerst angezeigt werden und Modifikatoren Satzanalyse-Entscheidungen nur selten beeinflussen. Im Gegensatz dazu bleiben die Strukturen von Linksverzweigungssprachen bis zum Ende sehr vieldeutig, da am Satzanfang stehende Modifikatoren oft erst nach der Analyse des Satzkopfes eine klare Bedeutung erhalten. Daher müssen Sprecher einer Linksverzweigungssprache möglicherweise am Anfang eines Satzes stehende Modifikatoren ganz lange im Arbeitsgedächtnis behalten, bis der Kopf des Satzes zum Verständnis hinzugezogen wird. In den Gedächtnistests zeigte sich auch, dass sich Sprecher linksverzweigter Sprachen bei verbalen und nicht verbalen Arbeitsgedächtnisaufgaben sich besser an anfängliche Reize erinnern können, weil das gewöhnliche Verstehen von Sätzen in Linksverzweigungssprachen in Echtzeit sehr stark davon abhängt, sich Informationen zu merken, die am Anfang stehen, was in Rechtsverzweigungssprachen nicht der Fall ist.

    Literatur

    Stangl, W. (2019). Wichtige Informationen an den Anfang und ans Ende. Werner Stangls Pädagogik News.
    WWW: http://paedagogik-news.stangl.eu/wichtige-informationen-an-den-anfang-und-ans-ende/ (2019-02-05)
    Stangl, W. (2019). Sprache und Gedächtnisleistung. Werner Stangls Arbeitsblätter-News.
    WWW: http://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/sprache-und-gedaechtnisleistung/ (2019-02-05)


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