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Sprachentwicklungsstörung

    Unter einer Sprachentwicklungsstörung versteht man ganz allgemein die nicht altersentsprechende Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes. Die Sprache bzw. der Spracherwerb ist in besonderem Maße für Entwicklungsstörungen anfällig, wobei man meist zwei Formen unterscheidet:

    • Primäre Störung der Sprachentwicklung, die auch als spezifische Sprachentwicklungsstörung, die deshalb spezifisch ist, weil es sich um eine Entwicklungsstörung handelt, die nicht infolge einer Intelligenzminderung oder einer anderen Beeinträchtigung entsteht. Im Gegensatz zu den sekundären Störungen ist die sie dadurch gekennzeichnet, dass eine sprachliche Normabweichung bei sonst keinen anderen offensichtlichen Abweichungen besteht.
    • Sekundäre Störungen der Sprachentwicklung treten zusammen mit anderen psychischen Defiziten auf, insbesondere bei Kindern mit Hörstörungen, bei blinden Kindern, Kindern mit erworbenen Aphasien, mental retardierten Kindern mit Down-Syndrom oder Williams-Beuren-Syndrom, sowie Kindern mit frühkindlichem Autismus.

    Kinder, die unter Sprachentwicklungsstörungen leiden, finden oft keine passenden Worte, wobei in der BRD nach Ansicht von Tanja Ulrich bis zu acht Prozent der Kinder Sprachentwicklungsstörungen aufweisen, d. h., sie fangen später als Gleichaltrige an zu sprechen oder lassen wichtige Satzteile weg, in der Schule können sie Inhalte von Sätzen und Gesprächen nicht oder nur unzureichend verstehen, wobei meist auch Grammatik und Wortschatz betroffen sind. Wie kommuniziert wird, entscheidet demnach, was bei den Kindern in Kita und Schule ankommt, d. h., die Sprache muss sie abholen, wo sie sind. Sprachliche Beeinträchtigung hindert Kinder oft daran, Lern- und Bildungsziele zu erreichen. Aufgabe bei der Professionalisierung der Lehrkräfte ist es, dafür zu sensibilisieren, wie der bewusste Einsatz von Sprache Lernbarrieren abbauen kann. Wird die Sprachfähigkeit im Erwachsenenalter eingeschränkt, ist die Ursache oft ein Schlaganfall oder eine Erkrankung wie Parkinson oder Demenz.

    Die oberösterreichische Internetplattform http://www.kindersprache.org/ soll den Eltern mehrfach Hilfe bieten: Zum einen wird der Verlauf der Sprachentwicklung des Kindes dargestellt: Was kann mein Kind mit 24 Monaten schon alles? Zusätzlich gibt es Hinweise für das Erkennen etwaiger Auffälligkeiten, wenn das Kind erst gar nicht versucht, zu kommunizieren, oder wenn es nicht auf angesprochene Gegenstände zeigen kann. Weiters wird auf dieser Site beschrieben, wie ein Kind innerhalb der Familie gefördert werden kann.

    Bei der Untersuchung (Bartha-Doering et al., 2018) der Entwicklung der Sprache im Gehirn vom Ungeborenen bis hin zum Jugendlichen hat man festgestellt, das die für das Sprechen zuständigen Hirnareale offenbar schon in der embryonalen Entwicklung festgelegt werden. Dabei nutzte man Erkenntnisse, wie sich eine Verletzung im kindlichen Gehirn auf die Sprachlokalisation und die Sprachfähigkeiten eines Kindes auswirkt. Gesunde Kinder mit besseren Sprachfähigkeiten nutzen häufiger ein bilaterales Sprachnetzwerk, das Regionen beider Hemisphären miteinander verbindet, wobei bei gesunden Kinder ein größerer Wortschatz, eine höhere verbale Flexibilität und ein besseres verbales Lernen mit der stärker bilateral organisierten Sprachlokalisation in Zusammenhang steht. Auch bei Kindern, die einen Schlaganfall erlitten hatten, konnte man einen Zusammenhang zwischen Sprachlokalisation und Sprachfähigkeiten nachweisen, wobei das Alter bei Auftreten des Schlaganfalls, Läsionsgröße oder Läsionslokalisation keinen Einfluss auf die Sprachfähigkeiten hatten, jedoch eine atypische Reorganisation der Sprachareale sich aber als nachteilig für die Sprachfähigkeiten erwies. Offenbar gibt es beim Menschen eine frühkindliche, wahrscheinlich schon vorgeburtliche Prädisposition von spezifischen Spracharealen.

    Frühförderung der Sprachentwicklung?

    Bekanntlich lange bevor Babys sich verständlich ausdrücken können, arbeiten ihre Gehirne daran, die Laute der Muttersprache zu analysieren und Verbindungen herzustellen, die die spätere Sprachbildung unterstützen. Neuere Untersuchungen mit einem eher fragwürdigen erzieherischen Hintergrund deuten darauf hin, dass dieser Prozess durch Training beschleunigt werden kann. Vier Monate alte Babys mussten einmal pro Woche an einem Spiel teilnehmen, bei dem sie sich nichtsprachliche Laute („bleeps“ und „bloops“) anhörten, die mit der Zeit immer komplexer wurden, wobei sie bei Reaktionen, um den Ton zu antizipieren, mit einem animierten Video belohnt wurden. Nach sieben Monaten zeigte sich, dass die trainierten Kleininder schneller auf sprachliche Laute reagierten als Kinder, die nicht an diesem Training teilgenommen hatten. Man hofft nun, dass solche Geräte Babys mit verzögerter Sprachentwicklung helfen könnten, diese Defizite aufzuholen. Frühere Studien zeigten, dass schon kleine Unterschiede in der Geschwindigkeit des akustischen Verarbeitens Auswirkungen auf die spätere Sprachfertigkeit haben können. In weiteren Studien will man nun überprüfen, ob der Trainingseffekt auch nach achtzehn Monaten nachweisbar ist.

    Literatur

    Bartha-Doering, L., Novak, A., Kollndorfer, K., Schuler, A. L., Kasprian, G., Langs, G., Schwartz, E., Fischmeister, F. P. S., Prayer, D. & Seidl, R. (2018). Atypical language representation is unfavorable for language abilities following childhood stroke. European Journal of Paediatric Neurology, doi:10.1016/j.ejpn.2018.09.007.
    Ortiz-Mantilla, S., Hämäläinen, J. A., Musacchia, G. & Benasich, A. A. (2014). Enhancement of Gamma oscillations indicates preferential processing of native over foreign phonetic contrasts in infants. Journal of Neuroscience, 34, 13349-13363. Doi: 10.1523/JNEUROSCI.0972-14.2014.
    http://www.uni-bielefeld.de/psychologie/ae/AE03/hp/grimm/sprachentwicklungsstoerungen.html (11-09-21)
    https://nachrichten.idw-online.de/2023/02/15/gestoerte-sprachentwicklung-neu-an-der-ude-tanja-ulrich (23-02-16)

     


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