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Typologie

    Kurzdefinition: Eine Typologie ist in der Psychologie die Zuordnung von Objekten zu Gruppen auf Grund von bestimmten gemeinsamen Merkmalen.

    Es liegt in der Natur des Menschen, die Komplexität des Lebens zu reduzieren, wobei eine besonders beliebte Form dieser Vereinfachung Stereotype darstellen. Hierzu bildet man eine überschaubare Anzahl von Kategorien, in die anschließend  die meisten Menschen einsortiert werden können, wobei. jede Kategorie für bestimmte Eigenschaften steht, die man allen Menschen in der selben Kategorie in gleicher Weise zuschreibt. Findet man dann Menschen, die in keine Kategorie passen bzw. die man nicht genau einordnen kann, dann nennt man das Ausnahmen von der Regel, gibt aber die Einteilung in die Kategorien nicht auf. Übrigens: Das menschliche Gehirn liebt Gruppen, denn es gruppiert immer und überall, etwa Frau Mann, alt jung, Blazer Jogginghose. Eine solche Einordnung von Objekten und deren Zugehörigkeit signalisiert dem Gehirn Sicherheit, und die ist grundlegend, um zu überleben, denn jemand, der einem ähnlich ist, stellt eine geringere Bedrohung da, und man ist leichter bereit zu vertrauen. Dieses Gefühl von Zugehörigkeit ist ein Motor für kooperatives und damit überlebensförderndes Verhalten, denn wer kooperiert, ist erfolgreicher und überlegt länger, sodass echter Egoismus darin besteht zu kooperieren.

    Die Einteilung der Menschen in Typen gilt in der Psychologie Forschung als verpönt, denn es ähnelt viel zu sehr der Psychologie im Alltag, in dem Menschen andere allzu gerne in Schubladen stecken. In der Psychologie hingegen geht man einen anderen Weg, denn man sammelt alle Eigenschaften, mit denen man die Persönlichkeit beschreiben kann, und fassen dann die verschiedene Merkmale zu Kategorien zusammen. Über diese Strategie erwuchs letztlich das Konzept der Big Five, wenn Psychologen die Persönlichkeit vermessen: 1. Offenheit für Neues, 2. Verträglichkeit, 3. Gewissenhaftigkeit, 4. emotionale Belastbarkeit und 5. nach aussen oder innen gekehrtes Verhalten. Indem man die Stärke jedes einzelnen Merkmals bei einem Menschen ermittelt, lässt sich von jedem ein individuelles Persönlichkeitsprofil erstellen, wobei sich in vielen Studien diese Merkmale über Jahrzehnte als stabil erweisen, ein wesentliches Kriterium für die Validität einer Theorie.

    Auch in der frühen Psychologie gab es immer wieder Versuche, die Vielfalt des menschlichen Seins in Form von Typologien einfach zu ordnen, wobei die Typologie des griechischen Arztes Galenos wohl die älteste darstellt: Sanguiniker (kraftvoll, heiter, optimistisch), Phlegmatiker (träge, introvertiert), Melancholiker (pessimistisch, emotional instabil) und Choleriker (aktiv, reizbar). Ebenfalls sehr populär wurde die Typologie von Ernst Kretschmer im vorigen Jahrhundert, der meinte, man könne auf Grund des Körperbaus drei Typen von Menschen unterscheiden: Leptosome (dünn: ungesellig, still, feinfühlig), Pykniker (klein und dick: gesellig, gutherzig, schwermütig) und Athleten (groß und kräftig: dumm, affektreich).

    Heute spielen typologische Modelle in der wissenschaftlichen Psychologie keine Rolle mehr, denn Typologien basieren überwiegend auf überholten Persönlichkeitsmodellen, die viele Jahrzehnte alt sind. Die Plausibilität von Typen sagt nichts über ihre Sinnhaftigkeit aus, denn erst die empirische Überprüfung zeigt, ob sich ein Modell tatsächlich bewährt, und den von einigen Außenseitern im Bereich der Psychologie bevorzugten Modellen mangelt es aber gerade an dieser wissenschaftlichen Bestätigung.

    Die oft durch die Medien verbreiteten Typen-Fragebogen liefern nur eine holzschnittartige Diagnose, während man mit einem wissenschaftlich gestützten Verfahren eine differenziertere Aussage erzielen kann.

    Typologien wieder im Kommen

    Allerdings gibt es immer wieder Versuche, zum alten Typologiekonzept zurückzukehren. So postuliert jüngst Jule Specht, Psychologin der Freien Universität Berlin, dass sich Menschen unabhängig von ihrem seelischen Befinden in drei Typen einteilen lassen; in einen unterkontrollierten Typ, in den überkontrollierten Typ sowie in den resilienten Typus kategorisieren.

    • Der unterkontrollierte Typ: Diese Menschen sind lebhaft, körperlich, nach aussen orientiert, impulsiv und mitunter aggressiv. Mitgefühl ist nicht ihre starke Seite. Sie nerven bisweilen, sind wenig verträglich und wenig gewissenhaft. Alles in allem eher unfreundliche Leute mit mangelnder Selbstkontrolle.
    • Der überkontrollierte Typ: Diese Menschen sind ängstlich und vorsichtig defensiv und wenig belastbar, brav und angepasst. Sie wirken oft angespannt. Abweichungen von ihrer Routine verstören sie. Bei den Big Five sind sie hoch introvertiert und neurotisch und kaum offen für Neues. Erstaunlicherweise sind sie nur mittelmässig gewissenhaft, weil ihre Selbstkontrolle defensiv und unflexibel ist. Aktive Selbstkontrolle hingegen ist zupackend und offensiv.
    • Der resiliente Typ: Gewappnet gegen die Grässlichkeiten des Lebens, meistert er schwierige und konfliktreiche Situationen, als wäre es nichts. Diese Menschen sind eher extrovertiert, verträglich, gewissenhaft und kaum neurotisch – und meist offen für Neues.

    Nach Aussage von Specht ist das zwar ein sehr grobes Raster, das sich aber in verschiedenen Studien als robust erwiesen hat, denn auch Menschen aus Italien, Polen, Spanien und den USA ließen sich Menschen trotz ihrer kulturellen und sprachlichen Unterschiede diesen drei Typen zuordnen, sodass sie allein genügen, um Persönlichkeitsunterschiede der meisten Menschen in diesen Ländern zu beschreiben.

    Literatur

    Kanning, Uwe P.  (2014). Die Unsinnigkeit von Typologien.
    WWW: http://www.haufe.de/personal/hr-management/psychologie-kolumne-sinnlose-typologien_80_212680.html (14-01-29)
    Specht, J., Luhmann, M., & Geiser, C. (2014). On the consistency of personality types across adulthood: Latent profile analyses in two large-scale panel studies. Journal of Personality and Social Psychology, 107, 540-556.
    https://www.fr.de/meinung/kolumnen/exklusivitaet-ist-von-gestern-92260607.html (23-05-07)


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