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Selbst

    Eigentlich bin ich ganz anders,
    nur komme ich so selten dazu.
    Ödön von Horváth

    Lass dir von niemandem auf der Welt erzählen,
    dass du nicht genau das sein kannst, was du bist.
    Lady Gaga

    Sei du selbst! Alle anderen sind bereits vergeben.
    Oscar Wilde

    Das Selbst ist ein unscharfer und uneinheitlich verwendeter Begriff mit psychologischen, soziologischen, philosophischen und auch theologischen Konnotationen. William James (1890) unterschied das erkennende Selbst vom erkannten Selbst, sodass die Psychologie in dieser Tradition das Selbst als Ergebnis des Nachdenkens über sich selbst, der Selbstaufmerksamkeit, das Entwickelns einer Ich-Identitätund somit ganz allgemein als Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ betrachtet. Das Selbst ist für die Psychologie ein zentraler Begriff bei der Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche, da das Selbst die Gesamtheit aller bewussten und unbewussten Aspekte der Persönlichkeit umfasst und im Allgemeinen eine Harmonisierung zwischen ihnen anstrebt. Bewusst ist den Menschen lediglich das Ich-Bewusstsein und ist somit nur ein kleiner Teil dessen, was die gesame Persönlichkeit ausmacht. Das Selbst ist auch das Zentrum der ganzen Persönlichkeit und die zentrale Steuerungsinstanz, die mit dem Augenblick der Befruchtung der Eizelle wirksam wird und alle folgenden Entwicklungsprozesse strukturiert. Die Entwicklungsmöglichkeiten, die im Selbst als Potenz angelegt sind, hängen in ihrer Realisierung von Umwelt und Gesellschaftsverhältnissen ab, besonders aber von der Beschaffenheit des Ich-Bewusstseins. Von der Fähigkeit eines Menschen, sich dem Selbst gegenüber zu öffnen, hängt der Verlauf seiner Entwicklung ab.

    Das Ich der Psychoanalyse benötigt dabei für seine Vermittlungsfunktion zwischen Es und Über-Ich auch realitätsgerechte Vorstellungen über sich selbst, also Selbst bzw. Selbstrepräsentanzen. Aus den Selbstrepräsentanzen bezieht ein Mensch seine Selbstdefinition, seine psycho-soziale Identität. Er bezieht  daraus sein Selbstbewusstsein, seine Selbstachtung, sein Verständnis von Selbstverwirklichung. Das Selbst als das Gesamte der strukturierten Vorstellungen vom idealen Ich ist dabei nicht reflexions- und kritikfähig, sondern nur das Ich mit seinen Funktionen des Wahrnehmens, Denkens und des Gedächtnisses vermag zu reflektieren und selbstkritisch zu sein. Die Ausbildung eines kritischen Selbst ist nach Freud eine der Hauptfunktionen des Ich.

    Neisser (1988) unterscheidet hingegen fünf Arten des Selbst, die zentral für ein Verständnis eines konstruierten Selbst sind. Er postuliert das in Bezug auf die physikalische Umwelt wahrgenommene ökologische Selbst, das im emotionalen und kommunikativen Kontakt erfahrene interpersonelle Selbst, das erinnerte und zeitlich ausgedehnte Selbst, das ungeteilt erfahrene private Selbst und das konzeptuelle Selbst oder Selbstkonzept, das die Überzeugungen des Individuums über sich selbst enthält und alle anderen Arten zusammenhält.

    Kurioses: Wie das optimale Selfie aufgenommen werden sollte

    Übrigens hat Carbon (2017) untersucht, wie das perfekte Selfie aufgenommen werden sollte, um besonders attraktiv, schlank oder sympathisch zu wirken. Dabei verglich man den Einfluss verschiedener Kamerapositionen auf die Wirkung der Selfies, indem mehr als dreihundert Probanden computergenerierte 3D-Modelle realer Gesichter aus sieben verschiedenen, selfie-typischen Kameraperspektiven bewerteten. Dabei hat man den Fokus auf Beurteilungsdimensionen wie Attraktivität, Dominanz, Intelligenz oder Körpergewicht gelegt, da diese Merkmale eine entscheidende Rolle in sozialen Interaktionen und bei der Partnerwahl spielen. Carbon konnte zeigen, dass Frauen dann als besonders attraktiv wahrgenommen werden, wenn sie ihre linke Gesichtshälfte zur Kamera drehen, hingegen wirken Frauen eher hilfsbereit, wenn sie ihre rechte Gesichtshälfte zeigen. Männer wirken sympathischer, wenn sie ihre rechte Gesichtshälfte zur Kamera drehen. Hinzu kommt, dass eine Kameraposition von leicht oberhalb schmeichelnd auf die Einschätzung des Körpergewichts wirkt, wobei eine seitliche Drehung der Kamera den schmeichelhaften Effekt eines Selfies von oben noch verstärkt. Bei einer tiefer positionierten Kamera werden die abgebildeten Personen grundsätzlich als eher übergewichtig eingeschätzt, jedoch kann eine seitliche Drehung diesen Effekt etwas abmildern.

    Elena

    Literatur

    Carbon, C. C. (2017). Universal principles of depicting oneself across the centuries: From Renaissance self-portraits to selfie-photographs. Frontiers in Psychology: Human-Media Interaction, 8, 1-9.
    James, W. (1890). The principles of psychology. New York: Holt.
    Neisser, U. (1988). Five kinds of self-knowledge. Philosophical Psychology, 1, 35-59.
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PSYCHOLOGEN/Jung.shtml (07-11-21)


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