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Disziplin

    Menschen, die ein erfolgreiches Leben führen, gleichgültig, ob das die Familie, eine befriedigende Arbeit, Gesundheit, finanzielle Sicherheit betrifft, weisen meist zwei besondere Eigenschaften auf: Intelligenz und Disziplin Während sich die Intelligenz nach der Kindheit kaum steigern lässt, ist es möglich, die Willenskraft positiv zu beeinflussen und diszipliniertes Verhalten zu erwerben. Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass willentlich getroffene Entscheidungen dem Gehirn viel Energie entziehen und sich dadurch die Willenskraft rasch erschöpft, sodass kontinuierliches Training notwendig ist, um die Willenskraft zu stärken, ohne sich zu überlasten. Eingeübte Verhaltensweisen, kleine Routinen oder Rituale können dabei helfen, die selbst auferlegten Grenzen zu respektieren. Wer mehr Selbstkontrolle im Alltag hat und Verlockungen widersteht, bestimmte Verlangen zugunsten wichtigerer Ziele zurückstellt, erlebt mehr positive Gefühle und ist zufriedener mit seinem Leben, denn mehr Selbstdisziplin bedeutet weniger negative Emotionen. In einer Untersuchung berichteten Teilnehmer mit mehr Selbstdisziplin von deutlich mehr positiven als negativen Emotionen. Menschen mit Selbstdisziplin vermeiden häufig Situationen mit Konfliktpotential und gehen so Problemen von vornherein aus dem Weg.

    Viele der persönlichen und gesellschaftlichen Probleme hängen mit mangelnder Selbstdisziplin zusammen, etwa zwanghafter Konsum, Verschuldung, Gewalt, schlechte schulische Leistungen, mangelnde Produktivität am Arbeitsplatz, Alkohol- und Drogenmissbrauch, ungesunde Ernährung, mangelnde sportliche Betätigung, chronische Angst, Jähzorn etc. Mangelnde Selbstdisziplin ist auch die Ursache der verschiedensten persönlichen Traumata, angefangen von einer Entlassung über den Verlust von Freunden bis zur Scheidung oder sogar zu Gefängnisstrafen. Bei einer Befragung landete die Selbstdisziplin an der letzten Stelle unter zwei Dutzend auf dem Fragebogen aufgeführten Charakterstärke, während  bei den Schwächen die mangelnde Selbstdisziplin ganz oben stand.


    Allerdings: Disziplin ist nicht nur eine Frage der Willenskraft

    Aus psychologischer Sicht gehört Disziplin zu den exekutiven Funktionen und entsteht hauptsächlich in den präfrontalen Strukturen des Gehirns, insbesondere im präfrontalen Cortex. Dieser Teil des Gehirns hat auch noch andere Aufgaben, zum Beispiel verarbeitet er Gefühle aus dem emotionalen Teil des Gehirns und entscheidet, ob er auf sie reagiert oder nicht, d.h. die Emotionsregulation findet in diesem Teil des Gehirns statt. Wenn das Gehirn also mit der Verarbeitung von Gefühlen wie Angst, Scham oder Wut beschäftigt ist, hat es keinen Platz mehr für Disziplin. Wenn Sie also einen anstrengenden Tag hatten, weil Sie sich beispielsweise um kleine Kinder kümmern mussten, sind Sie in der Regel ziemlich erschöpft, weil Sie dann nicht nur Energie für Ihre eigene Emotionsregulation aufwenden müssen, sondern auch für die der Kinder. Wenn die maximale Kapazität des exekutiven Teils des Gehirns erreicht ist, schaltet das Gehirn auf Autopilot, d. h. das Gehirn sucht eher nach kurzfristiger Befriedigung als nach langfristigen Zielen. Es ist zwar nicht unmöglich, in diesem Zustand noch genügend Disziplin aufzubringen, um sich für die Option zu entscheiden, die langfristig gut ist, aber die meisten Menschen neigen dann dazu, der Bequemlichkeit nachzugeben. In diesem Fall fehlt die Willenskraft nicht, weil Sie schwach sind, sondern weil Sie sich wahrscheinlich zu viel zugemutet haben und Ihr Gehirn nicht genug Kapazität hat, sich selbst zu motivieren. Die Lösung ist also nicht, sich noch mehr unter Druck zu setzen und sich mit aller Kraft zu überwinden, sondern den Stress abzubauen.


    Definitionen

    „Disziplin: 1) (ohne Plural) auf Ordnung bedachtes Verhalten; Unterordnung, bewusste Einordnung. 2a) Wissenschaftszweig, Spezialgebiet einer Wissenschaft 2b) Teilbereich, Unterabteilung einer Sportart“ (Baer, Fritsche, Lange, Pein & Vogel 2001, S. 236).
    „[…] die Disziplin der Pädagogik, die vom erzieherischen und Bildungswert der Stoffe und Gegenstände handelt heißt Didaktik“ (Kohlhammer 1963, S. 11f).
    „Ein weiter Begriff der Disziplin versteht darunter die gesamte Willens- und Charakterbildung, ja das Ganze der Erziehung im spezifischen Sinn, sofern ihr Endzweck der selbstverantwortlich handelnde sittliche Mensch ist“ (Fischer, 1930).
    „[…] Es gibt eine negative Besetzung von Disziplin: Gehorsam, Blindheit, unkritische Gefolgschaft. Ich will ein zeitgemäßes Verständnis von Disziplin finden und gehe vom antinomischen Prinzip aus: Jede Aussage hat auch eine Kehrseite. Disziplin ist wichtig, aber wer nur auf Disziplin besteht, ist ein Tyrann und auch ein Verhinderer, weil er  Freiraum nimmt“ (Rüedi 2004, S. 6).
    „[…] Jede Körperschaft, jede größere Gemeinschaft, die auf der Mitwirkung mehrerer Einzelmenschen beruht, bedarf der Disziplin, d.h. der Unterordnung des einzelnen, ohne die ein Zusammenwirken unmöglich ist. Ohne Disziplin wäre kein Fabrikbetrieb, kein Schulunterricht, kein Militär und kein Staat möglich“ (Luxemburg 2000, S. 1).
    Disziplin kommt aus dem Lateinischen und steht für Unterweisung, Zucht und Ordnung. Als Disziplin bezeichnet man das Befolgen von Vorschriften oder Regeln. Selbstbeherrschung wird als Selbstdisziplin bezeichnet (vgl. Brockhaus 1988, S. 553).
    Disziplin ist „ein vom Willen gesteuertes Verhalten gemäß der Regeln und Werte, die für menschliches Zusammenleben konstitutiv sind. (…) Das Organisationsgefüge der Schule ist ohne D. unerdenkbar“ (Arnold, Eysencken & Meili 1996, S. 386).
    Als Disziplin kann ein Fach in der Schule oder ein Wissenschaftszweig bezeichnet werden. Im Zusammenhang damit trifft man auch auf die Begriffe Heeres- und Betriebs-Disziplin. (vgl. Böhm 2000, S. 138).
    Disziplin kann als Teilgebiet eines Betätigungsfeldes bzw. als Unterordnung der Befehle von Vorgesetzten oder zur sexuellen Befriedigung gesehen werden (vgl. Pallando 2005, http://de.wikipedia.org/wiki/Disziplin.2005-11-01 15:02).
    Im „Ilexikon“ wird zwischen Disziplin im engeren Sinn und umgangssprachlicher Synonyme unterschieden. Unter Disziplin im engeren Sinn wird zwischen Unterordnung, Zucht, und bewusster Einordnung unterschieden. Beim umgangssprachlichen Synonym spannt sich der Bogen von Teilbereichen der Sportart über Spezialgebiete der Wissenschaft bis hin zur Selbstdisziplin. (vgl. ohne Autor 2005, http://www.ilexikon.com/Disziplin.html. 2005-11-01 15:47)
    Den Begriff Disziplin findet man in nahezu allen Nachschlagewerken. In fast allen Quellen wird zuerst darauf hingewiesen, dass Disziplin vom lateinischen kommt. Weiters findet man die Verbindungen von Disziplin mit Schule, Sport und der Selbstdisziplin vor. Dass Disziplin die Einhaltung von Regeln und Vorschriften bedeutet, findet man in dieser Deutlichkeit nicht in allen meiner Quellen. Bei den Internet Quellen ist diese Aussage nur in versteckter Form vorhanden. Nur in einem Nachschlagewerk wird auf die Begriffe Schul-Disziplin, Heeres-Disziplin und Betriebs-Disziplin hingewiesen. Weiters kann man noch einer Quelle entnehmen, dass Disziplin ein Schulfach und einen Wissenszweig bezeichnet. In einer der Internet-Quellen ist auch noch die Disziplin zur sexuellen Befriedigung angeführt. Eine andere Quelle geht auf eine historische Definition ein, dass in der Antike Disziplin und Schule dasselbe war. In allen Quellen jedoch wird darauf hingewiesen, dass ohne Disziplin nichts funktionieren könne (Organisationen, Verkehr, Betriebe, ua.).
    Disziplin (lat. „Zucht“, „Ordnung“) ist das Einhalten von Regeln und Vorschriften und es beinhaltet die Unterordnung bei Befehlen und Anweisungen. Es ist ein wichtiger Bestandteil, um sich in einer Gesellschaft einzuordnen. Betrifft die Disziplin nur einem selbst spricht man von der „Selbstdisziplin“ (= Selbstbeherrschung) Im Sport gibt es verschiedene Disziplinen (Teilbereiche einer Sportart) und man spricht auch von Schul-Disziplin, Heeres-Disziplin und Betriebs-Disziplin. (Viola Oberkofler)


    Untersuchungen zeigen, dass sich strenge Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung auf Menschen und ihr Befinden auswirken. Kokkoris, Hoelzl & Alós-Ferrer (2019) zeigten in insgesamt elf Studien mit etwa dreitausend Probanden, dass Selbstkontrolle nicht immer zu mehr Zufriedenheit mit einer Entscheidung führt. Viel eher kommt es dabei darauf an, was eine Mensch als legitime Grundlage für seine Entscheidungen sieht. In den experimentellen Studien mussten etwa Studierende, die auf Diät waren, in einem Labor zwischen Schokolade und Karotten entscheiden und wurden anschliessend zu ihren Gefühlen befragt. Menschen, die sich bei Entscheidungen eher auf ihr Gefühl verlassen, empfinden sich selbst beim Verzichten weniger authentisch, d. h., sie haben das Gefühl, ihre Bedürfnisse und ihr Verlangen zu unterdrücken und sich damit selbst zu betrügen. Menschen erfahren demnach eine höhere Zufriedenheit bei der Zurückhaltung, je mehr sie sich auf die Vernunft und weniger auf ihre Gefühle verlassen. Paradoxerweise bedeutet demnach für sie der Verlust der Selbstbeherrschung gleichzeitig auch ein gewisses Maß an Selbstfindung. Selbstbeherrschung ist daher nicht nur als Fähigkeit zu sehen, sondern auch als bewusste Entscheidung und Präferenz einer Person.

    In einer Studie von Angela Duckworth & Martin Seligman mit 140 Kindern mit einem Durchschnittsalter von 13 Jahren von Beginn des Schuljahrs –  in der sowohl die Kinder als auch deren Eltern und Lehrer Angaben über ihre Selbstdisziplin machten, also etwa wie gut sie Regeln befolgten oder wie sehr sie ihre Gefühle im Griff hatten – zeigte sich, dass das Ausmaß der Selbstdisziplin voraussagte, wie gut die Noten der Kinder am Ende des Schuljahres waren, und das zuverlässiger als ihr Intelligenzquotient.

    Literatur

    Arnold W., Eysencken H.S. & Meili R. (1996). Lexikon der Psychologie. Breisgeu: Herder Freiburg.
    Baer, D., Fritsche, P., Lange, W., Pein, C. & Vogel, G. (2001). Duden das Fremdwörterbuch. Mannheim: Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG.
    Böhm, W. (2000). Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart: Alfred Kröner.
    Brockhaus Enzyklopädie (1988). Mannheim: F.A. Brockhaus GmbH.
    Fischer, Aloys (1930). Disziplin (S. 124-130). In L. Clostermann et al. (Hrsg.), Enzyklopädisches Handbuch des Kinderschutzes und der Jugendfürsorge. Leipzig.
    Kokkoris, Michail D., Hoelzl, Erik & Alós-Ferrer, Carlos (2019). True to which self? Lay rationalism and decision satisfaction in self-control conflicts. Journal of Personality and Social Psychology, 117, 417-447.
    Kohlhammer, W. (1963). Die Pädagogik und ihre Disziplin. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH.
    Luxemburg, R. (2000). Parteidisziplin.
    WWW: http://www.marxists.org/deutsch/archiv/
luxemburg/1914/12/parteidisziplin.htm (06-04-01)
    Röhrs, H. (1968). Die Disziplin in ihrem Verhältnis Lohn und Strafe. Frankfurt a. M.: Akademische Verlagsgesellschaft.
    Pallando. (2005). Disziplin.
    WWW:  http://de.wikipedia.org/wiki/Disziplin (2005-11-01 15:02).
    Ohne Autor (2005). Disziplin.
    WWW: http://www.ilexikon.com/Disziplin.html (2005-11-01 15:47).
    Rüedi J. (2004). Disziplin in der Schule. Plädoyer für ein antinomisches Verständnis von Disziplin und Klassenführung. Bern: Paul Haupt Verlag.
    Stangl, W. (2018, 2. März). Kulturunabhängige Intelligenztests – Culture Fair Tests. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/770/kulturunabhaengige-intelligenztests-culture-fair-tests
    Stangl, W. (2019, 11. Juli). Disziplin ist nicht nur eine Frage der Willenskraft. Stangl notiert ….
    https:// notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/disziplin-ist-nicht-nur-eine-frage-der-willenskraft/.


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    3 Gedanken zu „Disziplin“

    1. Gerald Hüther in einem FOCUS-Interview

      Man kann Kinder disziplinieren und dann verhalten sie sich so, wie man das will. Wenn es gelingt – mit Zuckerbrot und Peitsche – ist es eine Form von Abrichtung. Und trotzdem heißt es dann: Guck mal, wie diszipliniert dieses Kind ist. Aber es ist eigentlich keine Disziplin, die man mit solchen Methoden hervorbringt, sondern Gehorsam.
      Die Art von Disziplin, die wir uns wünschen, heißt Selbstdisziplin. Und die kann ein Kind nur erlangen, wenn es den Nutzen von Disziplin erfährt. Es muss Gelegenheit haben, die Erfahrung zu machen, dass es sehr günstig ist, wenn es sich selbst ein wenig zurücknimmt und nicht macht, was es will, sondern sich selbst diszipliniert, weil es dann beispielsweise irgendeine größere Aufgabe besser hinkriegt. Und deshalb brauchen Kinder Aufgaben, an denen sie wachsen können. Das ist die Grundlage. Und dann müssen wir uns fragen: Wo haben denn Kinder in der Schule tatsächlich Aufgaben, an denen sie wachsen können? Schön brav zu sein und gute Noten nach Hause zu bringen, ist keine Aufgabe, an der man wachsen kann.

    2. Korrektur der Quelle

      Dank an Anonymos für den Hinweis – das Zitat wurde entsprechend korrigiert.

    3. Anonymous

      Hallo,
      vielen dank für diesen Eintrag. Ich finde zwar, dass hier strenge und fragwürdige kulturelle Setzungen, wie der Mensch so allgemein ist und was er tun muss, vorausgesetzt werden, die schon mit Blick auf die Zitate unterschiedlicher Disziplinverständnisse nicht mehr so selbstverständlich sind. Aber er regt zur Diskussion und eigenen Verständnisbildung an. Mir gefällt auch, dass es Zitate aus unterschiedlichen Dekaden sind, die hier aufgelistet werden.
      Allerdings ist mir aufgefallen, dass nicht Hermann Röhrs diese zitierten Sätze geschrieben hat. Er hat diese Sätze von Aloys Fischer nur herausgegeben, außerdem unterscheidet Fischer ja zwischen einem breiten und einem engeren Disziplinverständnis, was leider nicht im Zitat auftaucht …
      Viel Grüße von einem dankbaren und regelmäßigen Gast

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