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Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom

    Das Münchhausen-Syndrom kann auch in Form des Münchhausen-Stellvertreter-Syndroms –Münchhausen-by-proxy-Syndrom – auftreten, wobei  jemand bei anderen Krankheiten vortäuscht oder diese sogar bewusst herbeiführt, um sich anschließend als Retter zu präsentieren. Das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom bezeichnet meist das tatsächliche Verursachen von Krankheiten oder deren Symptomen bei Dritten, meist bei Kindern, um anschließend die medizinische Behandlung zu verlangen. Es handelt sich um eine subtile Form der Kindesmisshandlung, die bis zum Tod des Opfers führen kann. Häufig ist der von der Störung Betroffene ein Elternteil, meist die Mutter (90 % der Fälle), oder ein Erziehungsberechtigter, wobei in der Regel eine symbolische Beziehung zwischen TäterIn und Opfer besteht. Vorwiegend sind es also Mütter, die Krankheiten bei ihren leiblichen Kindern erfinden, übersteigern oder tatsächlich verursachen, um anschließend medizinische Behandlungen einzufordern, wobei ein Großeil dieser Frauen im Pflegebereich tätig ist oder angibt, als Krankenschwester zu arbeiten, auch wenn das nicht immer der Fall ist. Es werden mehrere Phasen unterschieden: In Phase 1 werden lediglich die nicht vorhandenen Symptome des Kindes wie Herz- und Atemstillstände oder epileptische Anfälle berichtet. In Phase 2 werden Messdaten oder Körpersubstrate des Kindes verfälscht, also etwa Fieberkurven verändert oder eigenes Blut oder Eiter dem Urin beigemischt. In der letzten Phase erzeugen die Täter bzw. Täterinnen reale Symptome, indem sie dem Kind Medikamente oder Gifte verabreichen oder es bis zur Bewusstlosigkeit ersticken.

    Die Störung gehört wie das Münchhausen-Syndrom zu den artifiziellen Störungen. Häufig findet man in der Lebensgeschichte der Täterinnen oder Täter Selbstverletzungen oder Selbstbeschädigungen, so dass anzunehmen ist, die Täter misshandeln andere stellvertretend für die eigene Person.

    Das Münchhausen-Syndrom reicht in Organisationen dabei von hoch destruktiven Praktiken bis hin zu Taktiken, die die Effektivität einer Organisation langsam, aber gründlich korrodieren lassen. Ein Aspekt des Münchhausen-Syndroms ist die Pseudologia Phantastica, die zu den narzisstischen Persönlichkeitsstörungen zu zählen ist. Allerdings ist nicht jeder, der lügt, schon ein Pseudologe, denn Selbstwertkrisen kennt jeder Mensch und neigt daher auch einmal dazu, sein Leben ein wenig schöner und spannender zu sehen, als es tatsächlich ist.

    Der Begriff Münchhausen-by-proxy-Syndrom ist umstritten, da die Diagnose das Elternteil und nicht das misshandelte Kind in den Vordergrund stellt. Im englischen Sprachraum wird daher zunehmend die Bezeichnung „medical child abuse“ (medizinische Kindesmisshandlung) verwendet. In seltenen Fällen werden die Krankheiten an anderen Erwachsenen vorgetäuscht, dann spricht man vom „Münchhausen-by-adult-proxy-Syndrom„.

    Siehe dazu Krankhaftes Lügen.

    Literatur

    Meadow, R. (1977). MUNCHAUSEN SYNDROME BY PROXY THE HINTERLAND OF CHILD ABUSE. The Lancet, 310, 343-345.
    https://flexikon.doccheck.com/de/M%C3%BCnchhausen-by-proxy-Syndrom (19-03-07)


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