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klassische Konditionierung

    Die klassische Konditionierung ist in der Psychologie jene Form des Lernens, bei der ein Organismus Reize miteinander assoziiert. Es handelt sich daher um einen Prozess der wiederholten Kopplung eines neutralen Reizes mit einem unbedingten Reiz, wobei der ursprünglich neutrale Reiz zu einem bedingten Reiz wird, der eine bedingte Reaktion auslöst. Als Ergebnis dieses Lernprozesses zeigt sich ein neues bzw. geändertes Verhalten.

    Ein neutraler Reiz, der ein Signal für das Auftreten eines unkonditionierten Reizes (US) ist, ruft dann allmählich eine Reaktion hervor, die den unkonditionierten Reiz vorwegnimmt und so tut, als sei er bereits aufgetreten; schließlich ruft der unkonditionierte Reiz allein die konditionierte Reaktion hervor (auch als Pawlow’sche oder respondente Konditionierung bezeichnet).

    Die Mechanismen der klassischen Konditionierung treten vor allem im Zusammenhang mit Affekten, Ängsten oder anderen Emotionen auf. Bei Gleichzeitigkeit von Reizen mit angstauslösenden Situationen können diese dann irgendwann die Angst selber auslösen. Das stimmt überein mit der Beobachtung, dass Ängste und Phobien dazu neigen, sich auszubreiten. Verlernen einer Angst oder Phobie kann sehr wirkungsvoll durch umgekehrte klassische Konditionierung erfolgen (z.B. durch systematische Desensibilisierung, bei der vormals unangenehme Reaktionen auslösende konditionierte Reize immer wieder gleichzeitig mit angenehme Reaktionen auslösenden Reizen zusammen dargeboten werden).

    Beim Menschen lässt sich der Lidschlussreflex besonders gut für Versuche zur Konditionierung einsetzen, denn ertönt kurz vor einem Luftstoß auf ein Auge ein Ton, dann lernen die Probanden und Probandinnen schnell, auf den Ton hin das Auge zu schließen. Danach führen sie dieses Verhalten auch dann aus, wenn in späteren Versuchdurchgängen kein Luftstoß mehr erfolgt.

    Die klassische Konditionierung an weiteren Beispielen erklärt: Ein Mensch sieht etwas Angenehmes (das ist der unbedingte Reiz), der löst auf jeden Fall (unconditioned, das heisst ohne vorangegangenes Lernen) eine Reaktion aus, die unbedingte Reaktion (eine angeborene Reaktion), z.B. Lächeln, ein angenehmes Gefühl, eine Erregung. Wenn dieser unbedingte Reiz wiederholt und gleichzeitig mit etwas anderem dargeboten wird, das zuvor keine Reaktion auslöst (der neutrale Reiz), z.B. eine Kaffeepackung oder eine Kanne Kaffee, dann führt die Gleichzeitigkeit der beiden Reize irgendwann einmal dazu, dass der vormals nichts auslösende Reiz schon alleine die Reaktion auslöst. Der neutrale Reiz (unconditioned Stimulus) wird zum bedingten Reiz (dem conditioned stimulus). Die Reaktion (Freude, Wohlfühlen, Lächeln, Erregung) erfolgt dann auch bei ausschließlicher Präsentation des bedingten Reizes. Der Mensch sieht z.B. in einem Regal die Packung Kaffee, und weil er sich in dem Moment wohlfühlt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sie kauft. Motorsägen, die Monat für Monat neben halbnackten Models in einem Kalender zu sehen sind, übertragen ihre Wirkung auf das Logo der Säge und wenn man vor der Frage steht, ob und welche Motorsäge man kaufen soll, wird es wahrscheinlicher, dass man auf Grund der angenehmen Assoziation diese Marke kauft.

    In der Erziehung tritt die klassische Konditionierung in der Regel nicht in der Form auf, dass die oder der Erziehende dem Kind absichtlich einen natürlichen und einen neutralen Reiz präsentiert, denn eine absichtliche klassische Konditionierung wäre schlicht die Manipulation eines Menschen, da durch solche Interventionen Verschiebungen seiner natürlichen Reaktionen erzielt werden sollen.

    Haenicke et al. (2018) haben das assoziative Lernen und das Gedächtnis bei der Honigbiene mit bildgebenden Verfahren untersucht und festgestellt, dass Honigbienen ihre Gedächtnisleistung durch Gerüche konditionieren und auf diese Weise ihr Verhalten beeinflussen. So funktioniert das Kurzzeitgedächtnis der Honigbiene hauptsächlich über Gerüche, die im Pilzkörper, dem olfaktorischen Lernzentrum der Biene, verarbeitet werden. Auch konnte erstmals gemessen werden, wie sich die Verbindungen zwischen Nervenzellen in diesem Teil des Gehirns plastisch verändern. Je ausgeprägter die plastische Veränderung der Verbindungen nach dem Trainieren auf einen bestimmten Duft wurde, desto zuverlässiger konnten man das erlernte Verhalten der Biene beobachten. Wenn ein Duft vorher durch Zuckerwasser belohnt worden war, ein anderer Duft aber nicht und die Biene diese Unterscheidung gelernt hat, dann streckt sie im Test ihren Rüssel heraus, sobald sie den zuvor belohnten Duft riecht, auch wenn gar keine Belohnung da ist, und der nicht-belohnte oder ein unbekannter Duft führt dann nicht zu einem Rüsselherausstrecken.

    Das klassische Pawlowsche Experiment

    Am Beginn des 20. Jahrhunderts führte Iwan Pawlow seine klassisch gewordenen Experimente durch: Ein Hund wurde in einem besonderen Apparat gestellt, in dem die Intensität des Speichelflusses als Reaktion auf bestimmte Reize gemessen werden kann. Dem Hund wurde ein unbedingter Reiz (UCS: Futter) präsentiert, woraufhin er den angeborenen Reflex (UCR: Speichelfluß) zeigte. Auf das Läuten einer Glocke (CS) zeigte der Hund keinerlei Reaktion, außer einer gewissen Neugier. Pawlow kombinierte die beiden Reize (UCS + CS), worauf der Hund mit Speichelfluß reagierte (UCR). Nach mehrmaligem Wiederholen dieser Reizpräsentation, reagiert der Hund schon auf das Glockenläuten mit Speichelfluß. Diese Reaktion nennt Pawlow bedingte Reaktion (CR). CR und UCR ähneln sich, sind aber nicht identisch: so produziert der Hund, beim Anblick des Futters immer noch mehr Speichel, als bei dem Ertönen der Glocke. Der entscheidende Punkt in diesem Experiment ist, dass nach der Konditionierung ein vorher neutraler Reiz eine Reaktion hervorruft, die vorher nur durch einen unbedingten Reiz ausgelöst wurde. Wird dem Versuchstier jedoch längere Zeit der bedingte Reiz (CS) allein dargeboten, so verschwindet allmählich die bedingte Reaktion (CR). Pawlow nannte diesen Prozess Löschung. Wiederholt man nach einiger Zeit das Experiment, so zeigt der Hund nach wesentlich weniger Versuchsdurchführungen wieder die bedingte Reaktion auf den bedingten Reiz. Dies beweist, dass die Konditionierung nicht gänzlich gelöscht wurde, sondern lediglich gehemmt worden war. Als Anerkennung für seine Forschungsarbeiten erhielt er 1904 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin verliehen (Stangl, 2023).

    Wer wurde bei dem Experiment konditioniert – der Hund oder Pawlow?

    Jerzy Konorski untersuchte das Experiment mit dem Pawlowsche Hund: Er wiederholte alles genau nach den Anordnungen von I. Pawlow, aber im entscheidenden Moment ließ er seinen Assistenten mit einer Glocke ohne
    Klöppel läuten, d. h., die Glocke blieb stumm, der Hund sekretierte trotzdem. Daraus schloss Konorski, dass das Läuten der Glocke ein Reiz für Pawlow, aber nicht für den Hund war (nach Heinz von Förster).

    [Quelle: https://www.youtube.com/embed/E-J35j2jGeo]


    Kurioses

    Elsa Philipp hat im cyberbloc unter dem Titel „Smartphone & Co: die Psychologie hinter der Benachrichtigung“ die Möglichkeit einer klassischen Konditionierung beschrieben: „Mensch hört Smartphone, bekommt eine Nachricht, freut sich. Und schon baut sich eine positive Erwartungshaltung gepaart mit Neugier auf, sodass wir zwingend wissen wollen, welch freudiges Ereignis uns der Benachrichtigungston bringen mag und prompt auf unser Telefon schauen. Hier löst also ein externer Stimulus positive Gefühle aus. Dieser externe Stimulus kann sich bei uns schließlich als interner Stimulus einnisten. Denn wenn es uns schlecht geht oder wir uns langweilen, wollen wir diesen emotionalen Misstand dringend beseitigen. Dann wird der Drang groß, Dinge zu tun, die uns bereits im Vorfeld positive Gefühle beschert haben. Schokolade, das Durchstöbern von Facebook oder Instagram, das Gespräch über WhatsApp oder das Rumhängen auf YouTube. Und schon brauchen wir keinen externen Trigger mehr, sondern besuchen von selbst die App oder Webseite. Und da wir nie genug positive Gefühle haben können und zudem neugierig sind, hängen wir eben oft am Smartphone. Leuchtet ein, oder?“

    Diese Interpretation ist allerdings etwas ungenau, denn in der klassischen Konditionierung muss ein unbedingter Reiz (Anblick eines Freundes) und eine unbedingte Reaktion (Freude über das Kommunizieren mit dem Freund) vorhanden sein. Diese Freude bzw. Erwartung müsste dann mit dem Klingelton des Mobiles (bedingter Reiz) so verbunden werden, dass später der Ton allein die Freude im Sinne einer Erwartung einer solchen Kommunikation auslöst, also zu einer bedingten Reaktion führt. Bei der von der Bloggerin beschriebenen Konditionierung handelt es sich daher wohl eher um eine Art operante Konditionierung, da es um das Entstehen einer neuen Verhaltensweise geht, die bisher nicht im Verhaltensrepertoire des Individuums war, wobei Verhaltensänderungen, die unabhängig von vorausgehenden Stimulusbedingungen sind, wohl für das meiste menschliche Verhalten zutrifft.

    Siehe dazu im Detail Klassische Konditionierung.

    Definitionen

    1. Definition

    Durch wiederholte Koppelung eines ursprünglich neutralen Reizes mit einem reflexionsauslösenden, löst der der vorher neutrale Reiz schließlich allein den Reflex aus (vgl. Brockhaus, 1945, S. 257).

    1. Definition

    Die klassische Konditionierung (Signallernen, Reiz-Reaktions-Lernen, assoziatives Lernen) wurde als erster Lerntyp experimentell von dem russischen Physiologen PAWLOW (1849 – 1936) untersucht. Konditionierung heißt die Etablierung einer Bedingung, die Verhaltensränderungen bewirkt (vgl. Haus, 2001, S.37).

    1. Definition

    Durch häufiges Setzen bestimmter Reize (z.B. freundliche Worte des Lehrers) können in der Lernsituation positive oder negative Gefühlszustände (z.B. Lernfreude) ausgelöst und an solche Situationen geknüpft werden. Die wiederholte Koppelung von schlechten Prüfungsergebnissen mit Bestrafung kann zu Prüfungsangst führen, die sich wiederum auf künftige Lernprozesse auswirkt. Der wesentliche Punkt besteht darin, dass durch die Präsentation bestimmter Stimuli auf die Lernaktivität der Schüler Einfluss genommen wird (vgl. Schiefele & Pekrun, 1996, S. 251).

    1. Definition

    Folgende Bedingungen müssen erfüllte sein, damit eine klassische Konditionierung eintreten kann. Ein Sinnesreiz (Stimulus), der zuverlässig eine Reaktion (Reflex) bedingt. Ein Sinnesreiz, der diese Reaktion normalerweise nicht bedingt. Die Darbietung dieser bei den Reize in einer systematischen und zeitlichen Anordnung, bis der normalerweise nicht bedingte Reiz in der Lage ist, eine ähnliche Reaktion wie der Originalreiz auszulösen (vgl. Holland, 1980, S. 109f).

    1. Definition

    „Lernen, daß einem Reiz ein anderer folgen wird, z.B. dem Piepen des Rechners folgt eine Fehlermeldung. Zweck der Konditionierung ist es, frühzeitig Vorbereitungen für den zweiten Reiz treffen zu können“ (Stangl, 1997).

    Literatur

    KIR – LAG.  (1997). Konditionierung. BROCKHAUS – Die Enzyklopädie. Band 12. 19. Auflage. Mannheim.
    Haenicke, J., Yamagata, N., Zwaka, H., Nawrot, M. & Menzel, R. (2018). Neural Correlates of Odor Learning in the Presynaptic Microglomerular Circuitry in the Honeybee Mushroom Body Calyx. eNeuro, doi:ENEURO.0128-18.2018.
    Haus, Gross & Steigerwald (2001). Psychologie, Soziologie und Pädagogik. München: Elsevier, Urban & Fischer Verlag.
    Weinert, F. (1996). Psychologie des Lernens und der Instruktion. Göttingen: Hogrefe Verlag.
    Holland, H.C. (1980).  Lexikon der Psychologie. Freiburg: Herder.
    Stangl, W. (1997). Psychologische Begriffsbestimmungen 2006.
    Online im internet: WWW.stangl.eu/psychologie/definition/Konditionierung.shtml (11-10-23)
    Stangl, W. (2023, 29. November). Klassische Konditionierung – Klassisches Konditionieren: Signallernen, Reiz-Reaktionslernen, S-R-Lernen. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/KonditionierungKlassisch.shtml
    http://www.cyberbloc.de/lifestyle/smartphone-co-die-psychologie-der-benachrichtigungen/2015/04/20/ (15-04-22)


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