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Inzesttabu

    Inzesttabu oder Inzestverbot ist ein in fast allen Kulturen zu findendes Verbot, sexuelle Beziehungen zwischen Blutsverwandten einzugehen, wobei es unterschiedliche Formen und Ausprägungen hinsichtlich des Verwandtschaftsgrades gibt. In einigen Ländern wird der Geschlechtsverkehr unter direkten Verwandten sogar bestraft, wobei in Europa  einige Länder Inzest verbieten, andere jedoch nicht.

    Neben zahlreichen anderen Beschlüssen, die den Katholizismus gegen den Airanismus stärken, die Kirche enger zusammenzuschließen und die Kirchendisziplin aufrechtzuerhalten sollten, beschlossen im September 506 auf der Synode von Agde Bischöfe aus dem südlichen Gallien den Besuch ihnen nicht verwandter Frauen durch Kirchenmänner sowie die Ehe zwischen Personen, die enger miteinander verwandt waren als Cousin oder Cousinen dritten Grades. Neben dem Verbot einen Cousin oder Cousin ersten und zweiten Grades zu heiraten, weitete die katholische Kirche diese Regeln auch auf andere Facetten der Familien- und Eheplanung aus, denn so war fortan auch das Konkubinat sowie die Schwagerehe untersagt, eine Sitte, nach der der Bruder eines kinderlos Verstorbenen dessen Witwe zu heirateten hatte.

    Die innere Sperre zu sexuellen Praktiken bis hin zum Geschlechtsverkehr zwischen nahen Verwandten wie zwischen Vater und Tochter, Mutter und Sohn, Bruder und Schwester (auch Blutschande genannt), ist weder angeboren noch entsteht es durch Gesetze oder Verbote. Der Grund für das Inzesttabu liegt vermutlich in der biologischen Abstammungsgeschichte, denn bei den meisten Lebewesen sind die Nachkommen, die zwischen Geschwistern oder nahen Verwandten gezeugt werden, von ihrem Erbgut her benachteiligt. Zwar verstärken sich bei den Nachkommen auch die positiven Veranlagungen der Eltern, etwa mathematische oder musische Talente, doch verstärken sich bei auch negative Veranlagungen zu Krankheiten so sehr, da weniger unterschiedliche Erbinformationen zusammenkommen als bei Nachkommen von Eltern mit unterschiedlichem Erbgut. So kommen Krankheiten auch mit größerer Wahrscheinlichkeit als bei den Eltern zum Ausbruch und könnte auf Dauer das Leben und auch die Fortpflanzung dieser Lebewesen gefährden oder sogar verhindern. Nach den Gesetzen von Mutation und Selektion bleiben demnach immer nur diejenigen Individuen einer Art übrig, die nicht inzestuös sind. Es gibt vor allem im Pflanzenreich zahlreiche Tricks der Natur, um den Inzest zu verhindern.

    Definition 1

    [lat. Incestus „Blutschande“] sexuelle Beziehung zw. engen Verwandten (z.B. Eltern-Kinder, Geschwister unter einander). Der I. zw. Verwandten auf- und absteigender Linie sowie zw. Geschwistern wird mit Freiheitstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Das I-Tabu gilt in allen menschl. Gesellschaften. Oft wird es auch auf größere Verwandtschaftsgruppen ausgedehnt. In einigen wenigen Gesellschaften wird es für bestimmte Personen (Fürstenhäuser, Adel,) aufgehoben. Zur Psychoanalyse à Ödipuskomplex (vgl. Brockhaus, 2006, S. 455f.).

    Definition 2

    Inzesttabu, Inzestschranke, Inzestverbot, Tabusierung sexueller Kontakt zw. Blutsverwanden od. angeheirateten Verwandten (Eltern u. Kindern, Brüdern u. Schwestern und Schwiegertochter oder –sohn). Inzest ist praktisch in allen menschlichen Gesellschaften gesetzlich verboten und wird bestraft.
    Nach Sigmund Freud ist dieses Verbot eine Voraussetzung für die Entwicklung der menschlichen Kultur. In der Psychoanalyse spielt das I-Tabu im Zusammenhang mit dem à Ödipuskomplex eine Rolle (vgl. Geo Themenlexikon, 2007, S. 282).

    Definition 3

    Inzesttabu schließt die Sexualität zw. Mitgliedern der Kernfamilie aus. Beim Menschen werden Sexualbeziehungen zw. Verwandten als Inzest od. Blutschande bezeichnet. Die Verletzung des Inzesttabus ist in den meisten Gesellschaften ein schwer geahndetes Sexualdelikt (vgl. Lexikon der Biologie, 2001, S. 432).

    Definition 4

    Die geschlechtliche Beziehung zw. blutsverwanden, auch verschwägerten Personen, besonders Mitgliedern der Einzelfamilie, bei Naturvölkern auch mit Angehörigen verbotener Heiratsklassen. In allen menschlichen Gesellschafen ist der I. verpönt (I-Tabu, I-Schranke) und unter Strafe gestellt; Ausnahmen für Herrscherfamilien (vgl. Leszczynski, 1995, S. 203).

    Definition 5

    „Ödipuskomplex: eine sexuelle Attraktion zw. Kindern u. Eltern dergestalt, dass das männl. Kind die Mutter, das weibl. Kind den Valter sexuell begehrt. Diese psych. Tendenz sei zu hemmen u. zu verdrängen, was aber erst gelingen kann, wenn diese Objektbesetzung aufgegeben wird u. durch Identifizierungen ersetzt wird“ (Städler, 2003, S. 516).

    Literatur

    Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden – Band 13 (2006). Leipzig Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus.
    Geo Themenlexikon in 20 Bänden – Band 12 (2007). Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus.
    Lexikon der Biologie – Band 7 (2001). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
    Leszczynski, C. (1995). Lexikon der Psychologie. Gütersloh: Bertelsmann Lexikon Verlag.
    Städler, T. (2003). Lexikon der Psychologie – Wörterbuch Handbuch Studienbuch. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag.


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