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Aha–Erlebnis

    Karl Bühler fragte sich, was erleben Menschen, wenn sie denken, und wies seine Versuchspersonen an, in Introspektion ihre Erlebnisse während der Lösung von Denkaufgaben (etwa: „können Sie von hier in vier Stunden in Berlin sein?“) genau zu beschreiben. Bühler kam zu dem Schluss, dass nicht mechanische Assoziationen (Verknüpfungen) von Vorstellungsinhalten das Denken ausmachen, sondern „reine Gedanken“, die unanschaulich sind.

    Die Problemlösung setzt als spezifisches „Aha Erlebnis“ ein, im Englischen als Eureka moment bezeichnet. Bühler folgerte daraus, dass die Denkeinheiten Gedanken und als solche unanschauliche Erlebnisinhalte sind, wobei die Beziehung zwischen den Gedanken durch den Sinn bzw. die Bedeutung für das Individuum hergestellt wird. Etwas wird also verstanden, indem man es durch eine logische Platzanweisung – eben das „Aha-Erlebnis“ – in die bisherige Erfahrungsstruktur einordnet (vgl. Stangl, 2009). Das Aha-Erlebnis ist demnach eine Form der Relationserkennung zwischen verschiedenen mentalen Gegebenheiten, etwa Figuren, Begriffen, Worten, Gedanken. Entscheidend ist, dass ein Aha-Erlebnis relativ autonom abläuft, also ohne gedankliches Zutun des Betroffenen.

    Die Psychologie geht von vier definierenden Merkmalen aus:

    • Das Aha-Erlebnis kommt plötzlich.
    • Die Lösung eines Problems kann flüssig verarbeitet werden.
    • Das Aha-Erlebnis löst einen positiven Affekt aus (Lustbetonung).
    • Der Mensch, der die eine plötzliche Einsicht erlebt, istvon der Richtigkeit der Lösung überzeugt.

    1. Definition
    Aha- Erlebnis nach K. → Bühler ein plötzlicher und einfallartiges Erlebnis, durch welches Gestalten oder Zusammenhänge nicht schrittweise erarbeitet, sondern unvermittelt erkannt und verstanden werden. → fruchtbarer Moment (vgl. Böhm, 1994, S. 14).

    2. Definition
    Aha- Erlebnis [aha- experience]: das bewußte Erleben bei der Lösung eines Problems; wurde von K. BÜHLER beschrieben und untersucht. In seine denkpsychologischen Untersuchungen bezeichneten seine Versuchspersonenbeim Problemlösen nach intensiven Lösungsbemühungen oft mit diesem A. den inneren „Ruck“, mit dem die Lösung plötzlich hervortritt. BÜHLER führte das A. zunächst auf bloßen Einfall zurück, später unterscheidet er zwischen einsichtigem und uneinsichtigem A (vgl. Clauss, 1995, S. 13).

    3. Definition
    Auf K. BÜHLER zurückgehende Bezeichnung für ein plötzliches eintretendes Erlebnis, durch das Zusammenhänge oder die Lösung eines Problems unvermittelt verstanden oder erkannt werden; dieser vermeintlich >> schlagartigen<< Einsicht gehen jedoch häufig unbewußt ablaufende Denkprozesse voraus. Beispiel: Man soll mit sechs Streichhölzern vier gleichseitige Dreiecke bilden. Das A.- E. tritt ein, wenn man sich bei der Lösung nicht mehr auf eine Ebene beschränkt (vgl. Hilling, 1998, S. 12).

    4. Definition
    Aha- Erlebnis (K.BÜHLER), ein eigenartiges , im Denkverlauf auftretendes, lustbetontes Erlebnis, das sich bei plötzlicher Einsicht in einen zuerst undurchsichtigen Zusammenhang einstellt (vgl. Häcker & Stapf, 1994, S. 15).

    5. Definition
    Das Aha- Erlebnis bringt zum Ausdruck, daß ein Zusammenhang plötzlich erkannt wurde oder daß man in ein schwieriges, individuell anfangs kaum zu lösendes Problem schlagartig Einsicht gewinnt und dessen Abläufe begreift (vgl. Köck & Ott, 1976, S. 13).

    6. Definition
    Bei denkpsychologischen Forschungen wurde entdeckt, daß man während des Denkens oder Problemlösens mitunter längere Phasen hindurch einer Lösung nicht näher zu kommen scheint, dann aber fast unvermittelt und unvorbereitet auf die richtige Antwort stößt. Diese überraschende Erkenntnis, plötzlich die Lösung gefunden zu haben, kann einen wie ein elektrischer Schlag durchzucken. Dieses Erlebnis nennt man AHA-Efffekt (vgl. Dieterich & Rietz, 1996, S. 15 – 16).

    Siehe auch Was ist AHA-Lernen?


    Untersuchung zum Aha-Erlebnis

    Häufig steht am Anfang eines Lernprozesses ein Aha-Erlebnis, denn Lernen wird häufig dann zum Erfolg, wenn man ganz Neues und Überraschendes erlebt. Einsicht oder Aha-Erlebnisse sind für die Integration von neuen Informationen wichtig, wobei solche Aha-Erlebnisse offensichtlich das Belohnungszentrum im Gehirn veranlassen, Neurotransmitter auszuschütten, die positive Gefühle auslösen. In einer israelischen Untersuchung erhielten Versuchspersonen Bilder von bekannten Personen oder Gegenständen vorgelegt, die zum großen Teil durch Tintenflecke verfremdet wurden, wobei die Probanden erkennen sollten, um wen oder was es sich handelt. Das Gefühl, wenn man eine Person oder einen Gegenstand erkennt, ist teilweise ähnlich einem typischen Aha-Erlebnis. Tage später wurden den Probanden einige dieser verfremdeten Bilder erneut vorgelegt, dazu einige bisher nicht gezeigte, wobei sich zeigte, dass einige Erinnerungen an die Abbildungen schon verloren gegangen waren, doch die Bilder, die etwa eine Woche im Gedächtnis geblieben waren, hätten gute Chancen, dauerhaft im Gedächtnis zu bleiben. Bei den ersten Aufgaben und dem Erkennen der Personen und Gegenstände war unter den Gehirnregionen, die beim Erkennen Aktivitäten zeigten, auch die Amygdala beteiligt, also das Areal für Emotionen, wobei deren Aktivität Voraussagen darüber erlaubte, ob ein Proband ein verfremdetes Bild auch später noch einmal erkennen würde, was bedeutet, dass die Amygdala wichtig für die Schaffung von Langzeiterinnerungen ist. Die Amygdala scheint also das Aha-Ereignis zu bewerten und darüber zu entscheiden, ob es wert ist, im Gedächtnis behalten zu werden.

    Tik et al. (2018) haben nun die neuronalen Grundlagen des Aha-Effekts untersucht und festgestellt, dass dieses Erlebnis im Gehirn Dopamin freisetzt, wodurch ein tiefliegender Teil des Gehirns, der Nucleus accumbens, aktiviert wird. Die Stimulation des Nucleus accumbens kann daher die manchmal geradezu ekstatische Freude erklären, die mit der Lösung eines kreativen Problems einhergehen kann. Dopamin dient demnach nicht nur als Botenstoff für einen Belohnungsprozesse, sondern ist auch für zielgerichtetes, motiviertes Herangehen an anspruchsvolle Problemstellungen bedeutsam, was sich ja etwa auch in Form von Neugier und Lernwillen zeigt. Man vermutet daher eine enge Beziehung zwischen Dopamin, freudiger Erregung und Kreativität, wobei eine von einem Aha-Erlebnis begleitete Lösung nachweisbar einprägsamer ist und die Speicherung im Langzeitgedächtnis erleichtert und verstärkt. Offenbar ist der Aha-Moment nicht nur ein punktuelles Gefühl der Freude oder Erleichterung, sondern auch eine spezielle Form von schnellem Wiederabrufen, Kombinieren und einem finalen Kodierungsprozess, die sich nachhaltig im Gedächtnis festsetzt.

    Der AhaMoment, also die plötzliche Einsicht, die manchmal bei der Lösung eines schwierigen Problems erreicht wird, bringt eine andere Problemlösungserfahrung mit sich als die Lösung, die durch eine analytische, mehrstufige Strategie meist ohne Einsicht erreicht wird. Bis heute ist diese unbewusste Natur der Einsicht aber umstritten. auch wenn in den vergangenen Jahren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmte Muster der Hirnaktivität identifizieren konnten, die auf Momente der Einsicht hindeuten. Stuyck, Cleeremans & Van den Bussche (2022) haben dieses Phänomen nun genauer untersucht, indem sie die Einsicht unter kognitiver Belastung untersuchten. Wenn Einsicht und nicht-einsichtiges Problemlösen auf bewussten, anstrengenden Prozessen beruhen, sollten sie beide von einer gleichzeitigen kognitiven Belastung beeinflusst werden. Wenn jedoch unbewusste Prozesse die Einsicht charakterisieren, könnte die kognitive Belastung sie überhaupt nicht beeinflussen. Mit Hilfe eines Dual-Task-Paradigmas lösten junge, gesunde Erwachsene siebzig Worträtsel unter verschiedenen kognitiven Belastungen. Aufgaben bestanden etwa darin, zu drei vorgegebenen Wörtern ein viertes zu finden, das zu jedem Wort passt. Die Probanden und Probandinnen hatten 25 Sekunden Zeit, um jede Aufgabe zu lösen und mussten nach der Lösung angeben, ob sie mit Hilfe eines spontanen Geistesblitzes zum Ziel gelangt waren, sie sich also der Lösung plötzlich und klar bewusst wurden, oder ob sie die Lösung Schritt für Schritt ohne Aha-Moment erarbeitet hatten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden zusätzlich in drei Gruppen aufgeteilt, wobei die erste Gruppe nur die Rätsel erhielt, bei der zweiten Gruppe blinkten zwei zufällige Ziffern nacheinander auf dem Bildschirm auf, bevor die Wörter erschienen, und die Probanden mussten versuchen, sich nach Beendigung des Rätsels an diese Zahlen zu erinnern, und die dritte Gruppe musste schließlich versuchen, sich vier statt zwei Ziffern zu merken. Dabei konnte man bestätigen, dass Lösungen mit Einsicht häufiger richtig waren und ein höheres Lösungsvertrauen erhielten. Wichtig war allerdings, dass mit zunehmender kognitiver Belastung die nicht-einsichtigen Lösungen seltener wurden und mehr Lösungszeit benötigten, während die einsichtigen Lösungen weitgehend unbeeinflusst blieben. Dies deutet darauf hin, dass einsichtige Problemlösungen nicht um begrenzte kognitive Ressourcen konkurrierten.


    Aha-Erlebnisse schon bei Babys

    Rovee & Rovee (1969) entdeckten, dass selbst sehr kleine Babys keine willenlosen Wesen sind: Ein Kind, dessen Bein mit einem Band an einem Mobile befestigt war, strampelte viel mehr als zuvor, d.h. das Baby entdeckte, dass es den Gegenstand durch seine Bewegungen zum Schwingen bringen konnte. Experimente von Sloan et al. (2023) mit drei bis vier Monate alten Säuglingen konnten durch eine umfassende koordinative Analyse der Bewegungen des Babys und des Mobiles und ihrer Interaktion zeigen, dass die Entstehung von Handlungsfähigkeit die Form eines punktuellen selbstorganisierten Prozesses annehmen kann, der sowohl in der Bewegung als auch im Stillstand einen Sinn findet. So gingen die Beinbewegungen um etwa ein Drittel zurück, sobald das Mobile von jemandem bewegt wurde, so als ob das Baby kurz innehielte, um das Schauspiel zu betrachten. Die Pausen bzw. der Wechsel zwischen Aktivitätsschüben und Innehalten waren für den Aha-Moment besonders wichtig, denn beides lieferte den Babys wertvolle Informationen. Offenbar handelt es sich nicht, wie früher angenommen, um einen einfachen Belohnungs- und Verstärkungszyklus, sondern hinter den kindlichen Aktivitäten steckt eine echte Erkenntnis, deren Dynamik sich nicht wesentlich von der Erwachsener unterscheidet, die etwas Neues lernen.

    Literatur

    Bühler, K. (1918). Die geistige Entwicklung des Kindes. Jena: Fischer.
    Dieterich, R. & Rietz, I. (1996). Psychologisches Grundwissen für Schule und Beruf. Donauwörth: Auer Verlag GmbH.
    Clauss, G. (1995). Fachlexikon ABC Psychologie. Frankfurt/Main: Verlag Harri Deutsch.
    Böhm, W. (1994). Wörterbuch der Pädagogik. Stuttgart: Alfred Körner Verlag.
    Häcker, H. & Stapf, K. (1994). Dorsch Psychologisches Wörterbuch. Bern: Verlag Hans-Huber.
    Köck, P. & Ott, H. (1976). Wörterbuch für Erziehung und Unterricht. Donauwörth: Verlag Ludwig Auer.
    Hilling, A. (1998). Schülerduden: Die Psychologie. Mannheim: Dudenverlag.
    Rovee, Carolyn Kent & Rovee, David T. (1969). Conjugate reinforcement of infant exploratory behavior. Journal of Experimental Child Psychology, 8, 33-39.
    Sloan, Aliza T., Jones, Nancy Aaron & Kelso, J. A. Scott (2023). Meaning from movement and stillness: Signatures of coordination dynamics reveal infant agency. Proceedings of the National Academy of Sciences, 120, doi:10.1073/pnas.2306732120.
    Stangl, W. (2023, 21. September). Aha-Erlebnisse schon bei Babys. arbeitsblätter news.
    https:// arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/aha-erlebnisse-schon-bei-babys/.
    Stangl, W. (2009). Kurzüberblick: Psychologische Schulen
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/WISSENSCHAFTPSYCHOLOGIE/PsychologieSchulen.shtml (09-12-21)
    Stuyck, Hans, Cleeremans, Axel & Van den Bussche, Eva (2022). Aha! under pressure: The Aha! experience is not constrained by cognitive load. Cognition, 219, doi:10.1016/j.cognition.2021.104946.
    Tik, Martin, Sladky, Ronald, Luft, Caroline Di Bernardi, Willinger, David, Hoffmann, André, Banissy, Michael J., Bhattacharya, Joydeep, Windischberger, Christian (2018). Ultra‐high‐field fMRI insights on insight: Neural correlates of the Aha!‐moment. Human Brain Mapping, doi:10.1002/hbm.24073.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Aha-Erlebnis (14-05-09)


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    Ein Gedanke zu „Aha–Erlebnis“

    1. Sehr geehrter Herr Stangl,
      ich glaube,es muss am Ende der 1. Definition eher „fruchtbarer“ Moment heißen (als „furchtbarer“).
      Mit freundlichen Grüßen (ein großer Fan ihrer Seiten!!!)
      Burkhard Schäfer

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