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Blitzlichterinnerungen

    Als Blitzlichterinnerungen (Flashbulb memories) werden in der Psychologie detailgenaue lebhafte Erinnerungen an Weltereignisse wie etwa die Ermordung John F. Kennedys, der Fall der Berliner Mauer oder die Anschläge vom 11. September 2001 bezeichnet. Es handelt sich dabei um dramatische Geschehnisse, die emotional bewegen, wobei langfristig zahlreiche Umstände erinnert werden, die die jeweilige Person mit dem Ereignis verbinden. Nach Brown & Kulik (1977) werden dabei folgende Merkmale am häufigsten erinnert: Der Ort, die Situation, der Übermittler der Neuigkeiten, die emotionale Reaktion anderer, die eigene emotionale Reaktion und was nach der Situation passierte.

    Aber auch manche Erinnerungen an persönliche Ereignisse fallen darunter, dabei speichert das Gehirn erste Male besonders sicher ab, sodass man sich etwa so gut an den ersten Kuss, an einen Dialog aus dem ersten Vorstellungsgespräch oder an den ersten Sieg in einem Tennisspiel erinnern kann. Das Gleiche gilt für Schock­erlebnisse, die das eigene Leben oder das Leben nahestehender Menschen durcheinanderbringen. ­

    Nach Neisser (2003) sind solche Blitzlichterinnerungen das Produkt einer Rekonstruktion der damaligen Ereignis. Bekanntlich ist die individuelle Geschichte stets ein Prozess der Neuinterpretation des Vergangenen, ist also der Versuch, die Spuren der Erinnerung unter Einbeziehung jüngster Erfahrungen und veränderter Sichtweisen plausibel und vollständig auf neue Art zu fixieren. Daher sind auch Blitzlichterinnerungen an Ereignisse, die sich in das persönliche Gedächtnis eingebrannt haben, auf Dauer gesehen instabil. Hirst & Phelps (2016) befragten über dreitausend Menschen nach ihren Erinnerungen an den Anschlag auf das World Trade Center, wo sie waren, wie sie e es erfahren haben und was sie dabei empfunden haben. Dieselben Fragen wurden diesen Menschen gleich nach dem Anschlag, ein Jahr später, nach zwei und nach zehn Jahren nochmals gestellt. Schon beim ersten Mal fanden sich einige Diskrepanzen, nach zehn Jahren erzählten die Menschen ihre Erinnerungen an das Geschehen im Schnitt zu sechzig Prozent ganz Anderes. Dennoch waren sie davon überzeugt, sich ganz genau erinnern zu können, selbst dann noch, wenn man ihnen die damals niedergeschriebenen Antworten konfrontierte, waren sie fest davon überzeugt, dass sie sich damals geirrt haben müssten und allein die heutige Fassung die richtige Erinnerung sei. Das auch dann, wenn sie ihre Handschrift erkannten und bestätigten.


    Übrigens: Am schwierigsten ist es, wenn man sich von solchen Blitzlichterinnerungen zu lösen versucht und diese krampfhaft ­loswerden möchte. Will man etwa den ersten Liebeskummer vergessen, ver­sucht man in der Regel an etwas anderes zu denken, doch das funktioniert natürlich nicht, denn dann überprüft das Unterbewusstsein, ob man wirklich nicht an dieses Ereignis denkt, an das man partout nicht denken will. Es geht psychologisch betrachtet intern darum zu prüfen, ob der Mechanismus der Ver­drängung Erfolg hat oder nicht.


    Literatur

    Brown, R., & Kulik, J. (1977). Flashbulb memories. Cognition, 5, 73–99.
    Hirst, W. & Phelps, E. A. (2016). Flashbulb Memories. Current Directions in Psychological Science, 25, 36–41.
    Neisser, U. (2003). New directions for flashbulb memories: Comments on the ACP issue. Applied Cognitive Psychology. 17, 1149–1155.


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