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Hangry

    Der englische Begriff hangry ist von hungry (hungrig) und angry (wütend) abgeleitet und bezeichnet den emotionalen Zusammenhang zwischen einem leeren Magen und dem daraus entstehenden Ärger, der sich bis zur Wut steigern kann. Verantwortlich für diesen Hunger-Wut-Zusammenhang ist hauptsächlich der Blutzuckerspiegel, denn er wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns, indem die Freisetzung von Adrenalin und des Neuropeptids Y, das gleichermaßen Hunger und Angst steuert, ausgelöst wird.

    Das Gehirn ist besonders auf Zucker angewiesen und fehlt es daran, wird es in eine Art Sparbetrieb versetzt, wobei in diesem Zustand das Gehirn weniger in der Lage ist, positive Emotionen freizusetzen. In Experimenten beeinträchtigen solche negativen Empfindungen bei Hunger sowohl die Wahrnehmung der Umgebung als auch die Eigenwahrnehmung. So fand man heraus, dass je hungriger Menschen sind, desto eher wenden sie sich negativen Inhalten zu und zeigen dadurch auch häufiger schlechte Laune. Hungrige Menschen beschreiben sich dabei auch selbst als gestresster und wuterfüllter.

    Beim appetitinduzierten Ärger handelt es sich um eine Fehlattribution, d. h., der hungrige Mensch ist dabei so sehr auf seine Umgebung fokussiert, dass er seine negativen Affekte auf seine belastende Umwelt projiziert, anstatt zu erkennen, dass der Hunger Quelle der schlechten Gefühle ist, d. h., er verknüpft diese mit einer unangenehmen Situation um sich herum.

    Generell neigen Menschen mit niedrigem Blutzuckerspiegel zu impulsiven Entscheidungen sowie zu gesteigerter Aggression, denn so kann nach Untersuchungen Hunger sogar zu strengeren Gerichtsurteilen führen, da Richter im Durchschnitt vor der Mittagspause härtere Strafen verhängen als danach. Im Allgemeinen können die meisten belastenden körperlichen Zustände wie Müdigkeit, Schmerzen, Entzündungen oder Erkrankungen starke negative Affekte auslösen, die die Betroffenen dann fälschlicherweise mit passenden externen Ursachen erklären. Sogar Beziehungskrisen können dadurch ausgelöst werden, wenn Menschen auf Grund einer körperlichen Belastung wie etwa einer Diät launisch werden, wobei die negativen Gefühle des Hungers auf die Beziehung projiziert werden.

    Swami et al. (2022) untersuchten daher den Zusammenhang zwischen alltäglichen Hungererfahrungen und negativen Emotionen empirisch, wobei Teilnehmer aus Mitteleuropa 21 Tage lang zu fünf Zeitpunkten pro Tag über ihren Hunger, ihren Ärger, ihre Reizbarkeit, ihre Freude und ihre Erregung berichten mussten. Die Ergebnisse zeigten, dass ein höheres Maß an selbstberichteten Hungergefühlen mit größeren Gefühlen von Wut und Reizbarkeit und mit geringerer Freude verbunden war. Diese Ergebnisse blieben auch nach Berücksichtigung des Geschlechts, des Alters, des Body-Mass-Index, des Ernährungsverhaltens und der Wutmerkmale der Teilnehmer signifikant. Im Gegensatz dazu waren die Zusammenhänge mit Erregung nicht signifikant.

    Worin genau die Ursache für den Zusammenhang liegt, ist nach Ansicht der Forscherinnen und Forschern noch nicht geklärt, doch ein möglicher Ansatz geht davon aus, dass das Gehirn bei einem Abfall von Blutzucker (s. o.) nicht mehr im gleichen Maß in der Lage ist, Emotionen zu kontrollieren. Ein andere Hypothese lautet, dass Menschen in hungrigem Zustand anders auf äußere Faktoren reagieren und solche als störender empfinden als nach einer Mahlzeit. Vermutlich ist es aber eine komplexe Wechselwirkung aus beiden Faktoren, wobei auch psychische Faktoren eine größere Rolle spielen dürften als der Blutzuckerspiegel, dessen Einfluss in verschiedenen Studien schon als alleiniger Auslöser angezweifelt worden ist. Allerdings sind nach Ansicht von Experten Hunger und Ärger kaum zu trennen, denn auch Hunger kann ein Ausdruck von Ärger sein.

    Übrigens können auch Tiere hangry werden, denn als man das Sozialverhalten verschiedener Tiere wie Fruchtfliegen oder Mäuse untersuchte und dabei überprüfte, wie eine Gruppe von Nervenzellen als soziales Kontrollzentrum fungiert und Umweltreize wie Nahrung und sensorische Reize wie das Hungergefühl miteinander integriert, zeigte sich, dass je nach Hungerzustand das Sozialverhalten bei Mäusen dabei zwischen neugierig zurückhaltendem Verhalten (Riechen an einem Stimulus) und aggressiv konsumierendem Verhalten (Attackieren eines Stimulus) wechselte. Bezogen auf den Menschen wurde dabei ein Modell genutzt, dass ähnlich einem Entscheidungsbaum mit mehreren Stufen, langsame Eskalation bzw. Deeskalation des Sozialverhaltens von sozial zu asozial und aggressiv beschreibt, abhängig von hierarchisch angeordneten Reizen. Einer der wichtigen beeinflussenden Reize war dabei der Hunger, gesteuert über die Nervenzellen im Hypothalamus (Mayländer, 2022).


    In einem Magazin werden einige Tipps gegeben, wie man dem Wuthunger zuvor kommen kann. Dort heißt es unter anderem: Regelmäßige, nahrhafte Mahlzeiten helfen den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, wobei besonders ballaststoffreiche Lebensmittel, wie Vollkorn-Produkte und Hülsenfrüchte den Körper langfristig mit Energie versorgen, aber auch Nüsse, Obst und Gemüse zwischendurch können helfen. Wenn man schon hangry ist, dann sofort ein Stück Traubenzucker einwerfen, der geht schnell ins Blut über und beruhigt die Emotionen. Fast Food und Süßes sättigt und beruhigt nur kurz, denn der Blutzuckerspiegel fährt danach genauso rasant hinunter wie er hochgefahren ist.
    Angeblich sind auch manche Mahlzeiten richtige Glücklich-Macher, wofür bestimmte Bausteine in den Lebensmitteln verantwortlich sind, die das Gehirn bei der Bildung des Glücks-Hormons Serotonin unterstützen. Das sind Fisch, Käse, Avocados, Eiern, Fleisch, Hülsenfrüchten oder Nüsse, denn die enthalten unter anderem Tryptophan, der im Gehirn zu Serotonin umgewandelt wird. Um in das Gehirn zu gelangen braucht Tryptophan das Transportmittel Insulin, das entsteht wenn man kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Reis oder Kartoffeln verdaut. Eine gute Laune hängt nicht nur von Glücks-Botenstoffen ab, sondern auch davon, ob dein Darm zufrieden ist, wobei Vollkorn-Produkte und Joghurt helfen können, denn sie bringen gute Bakterien-Stämme in den Darm und helfen dabei die Mikroorganismen, die dort leben, zu erhalten und zu vermehren. Chili und Ingwer enthalten Schärfe, wobei durch diese Nerven im Mund gereizt werden, die im Gehirn Endorphine freisetzen.

    Literatur

    Bräcker, L. B., Siju, K. P., Varela, N., Aso, Y., Zhang, M., Hein, I., Vasconcelos, M. L., & Grunwald Kadow, I. C. (2013). Essential Role of the Mushroom Body in Context-Dependent CO2 Avoidance in Drosophila. Current Biology, 23, 1228–1234.
    Mayländer, I. (2022). Hangry – Gibt es das?
    WWW: https://scilogs.spektrum.de/hirn-und-weg/hangry-gibt-es-das/ (22-12-04)
    Swami, V., Hochstöger, S., Kargl, E. & Stieger, S. (2022). Hangry in the field: An experience sampling study on the impact of hunger on anger, irritability, and affect. PLoS ONE, 17, doi:10.1371/journal.pone.0269629.
    https://at.galileo.tv/gesundheit/boah-bin-ich-hangry-das-passiert-in-deinem-koerper-wenn-dich-der-wuthunger-packt/ (22-07-18)


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