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Kampf- oder Flucht-Reaktion

    Die Kampf- oder Flucht-Reaktion bzw. Fight-or-flight-Reaktion (Cannon, 1915) ist die Reaktion eines Individuums auf einen akuten Stressor in einer Art Notfallreaktion. Während der Fight-or-flight-Reaktion veranlasst das Gehirn, dass durch Nervenbahnen des vegetativen Nervensystems Impulse an das Nebennierenmark gesendet werden, die dort eine schlagartige Freisetzung von Adrenalin bewirken, das u. a. das Herzminutenvolumen, die Körperkraft  und die Atemfrequenz erhöht. Verantwortlich dafür ist die direkte Anbindung des Stammhirns, des entwicklungsgeschichtlich ältesten Teils des Gehirns, an das Großhirn, wobei vor allem Männer Stresssituationen mit diesem älteren Areal verarbeiten, der mit Sexualität, Flucht und Aggression in Verbindung steht. Männer sind daher bei emotionalen Herausforderungen evolutionär bedingt eher auf dieses Prinzip des Fight-or-flight konditioniert, während Frauen eher auf Tend-and-befriend eingestellt sind, wobei gesellschaftliche Wertvorstellungen und Rollenbilder diese urzeitlichen Verhaltensmuster zusätzlich verstärken. Zwar zeigen auch Frauen eine Fight-or-flight Reaktion, bei ihnen ist diese aber in schwächerem Umfang vorhanden, denn in gefährlichen Situationen neigen sie eher dazu, sich zu schützen, indem sie sich einer Gruppe anschließen.

    In solchen Schrecksekunden tritt darüber hinaus eine Art Zeitlupeneffekt ein, bei dem sich Abläufe in der Außenwelt scheinbar verlangsamen, was durch das stark erhöhte Erregungsniveau des Körpers in einer Fight-or-flight-Situation bedingt ist, wodurch physiologische und mentale Vorgänge vergleichsweise schneller ablaufen, d. h., der ganze Organismus ist auf eine möglichst rasche Überlebensreaktion ausgerichtet.

    Jeffrey Allan Gray (1987) fügte zwei weitere Reaktionen neben flight und fight hinzu: freeze und fright, also Bewegungslosigkeit und Totstellen. Lebewesen – besonders wird das bei Tieren sichtbar – haben zwischen Flucht und Angriff noch eine dritte Reaktionsmöglichkeit, nämlich sich tot zu stellen, sich nicht mehr zu bewegen, alles über sich ergehen zu lassen. Eine Form des mentalen Blackouts, denn das Gehirn ist dann nicht mehr in der Lage, zwischen der reinen Vorstellung und der echten Realität zu differenzieren. Das kann auch dadurch geschehen, dass man die Gefahrensituation völlig ignoriert und etwa ganz anders macht. Auch manche Menschen beginnen in einer Bedrohungslage zu singen oder zu tanzen, was für einen Beobachter verrückt erscheinen mag, letztlich aber auch einen Angreifer, der gewohnt ist, dass sein Opfer entweder flieht oder zu kämpfen beginnt, einfach so verwirrt, dass dessen Aggression ins Leere geht.

    Das Fight-or-Flight-Prinzip durchläuft nach Grey demnach vier Phasen, die von hormonellen Prozessen begleitet werden:

    1. Phase: Zuerst gehen die meisten Menschen im ersten Moment in den Freeze-Zustand, stellen sich also tot, der Körper schüttet Adrenalin aus, die Aufmerksamkeit steigt und die Betroffenen verfallen in eine gänzliche Bewegungsstarre, und zwar sowohl körperlich als auch psychisch.

    2. Phase: Daraufhin folgt in der Regel die Flucht, denn durch das Adrenalin im Blut kann der Mensch dadurch schneller vor der Bedrohung davonlaufen, d. h., viele Menschen suchen in einer Konfliktsituation nach der ersten Schockstarre das Weite.

    3. Phase: Können Menschen allerdings nicht fliehen, weil sie aufgehalten werden oder eben die Contenance wahren müssen, gehen die Betroffenen in den Angriff über, sie wechseln also von der Flucht- in die Kampf-Phase.

    4. Phase: Kann der Betroffene weder fliehen noch kämpfen, oder hat er den Kampf verloren, setzt die Fright-Phase ein. Es entwickelt sich Furcht, die ähnliche Auswirkungen wie das Totstellen hat, also in völliger Starre endet.


    Kampf-, Flucht-Reaktionoder Totstellen im metaphorischen Sinn

    Angriff, Flucht und Totstellen sind drei uralte Überlebensinstinkte der Menschen, die in Stress- und Konfliktsituationen zu beobachten sind, wobei sie auch metaphorisch zu verstehen sind:

    • Flucht: Die Flucht ist unschwer zu erkennen, denn es gibt viele Menschen, die bei einer Konfliktsituation das Weite suchen. Jedes Mal, wenn man auf seine Kollegin oder seinen Kollegen zugeht und den Konflikt ansprechen möchte, hat dieser gerade keine Zeit oder ist schon auf dem Sprung in den Feierabend. Manch einer verlässt auch das Gespräch, sobald er nicht mehr weiter weiß oder befürchtet, am Ende als Verlierer da zu stehen.
    • Angriff: Der Angriff kann, muss aber nicht körperlich sein, denn in der Regel äußert sich dieser in einer starken Verteidigungshaltung. Der Gesprächspartner zeigt keinerlei Einsicht, blockt jeden Versuch zu einer konstruktiven Lösung ab und sucht stattdessen alle Fehler beim anderen oder greift diesen sogar verbal auf persönlicher Ebene an. Dieser Mensch befindet sich dann im Wechsel aus Verteidigung und Angriff, also im Kampfmodus.
    • Totstellen: Man versucht einen Konflikt mit einer Person zu klären und den Sachverhalt zu diskutieren und plötzlich hört man nur noch sich selbst reden. Das Gegenüber verstummt geradezu und wirkt beinahe gleichgültig, d. h., man fühlt sich, als würden die Worte beim Gegenüber zu einem Ohr hinein- und zum anderen wieder hinausgehen. Dies passiert in der Regel unbewusst, wenn die Person einen gewissen Grad der Überforderung verspürt, denn das Gehirn blockiert geradezu, sodass das Gespräch zu keinem Ziel mehr führen kann. In diesem Fall sollte das Gespräch unterbrochen werden, bis beide wieder zu einer Aussprache bereit sind.

    Literatur

    Cannon, Walter Bradford (1915). Bodily changes in pain, hunger, fear, and rage. New York: Appleton-Century-Crofts.
    Gray, J. A. (1987). The psychology of fear and stress . Cambridge: Cambridge University Press.
    Stangl, W. (1997). Emotion – Psychophysiologische Merkmale. [werner stangl]s arbeitsblätter.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/EmotionPsychophysik.shtml (97-03-21)
    https://arbeits-abc.de/konflikte-im-job-loesen-statt-irnorieren/ (22-09-05)

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