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Psychoanalyse

    Der Begriff Psychoanalyse leitet sich von den griechischischen Begriffen ψυχή (psyche) für „Seele“ und ἀνάλυσις (analysis) für „Zerlegung“ ab und meint die Untersuchung bzw. Enträtselung der Seele. Der Begriff Psychoanalyse wird heute in drei Bedeutungsweisen verwendet:

    • als tiefenpsychologische Forschungsmethode,
    • als Insgesamt der Freudschen Lehre,
    • als Heilmethode (Therapie-Form).

    Die Psychoanalyse als Therapieform basiert auf der Theorie, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen der gegenwärtigen psychischen Entwicklung des Menschen, seinen Wünschen und Begierden, Verhalten und Bedürfnissen, sowohl bewusst wie unbewusst, und den Erlebnissen aus seiner Vergangenheit. Nach der Freudschen Intention kann das Ich bzw. das Subjekt geheilt werden, indem verworrene oder verborgene Symptome – also das Unbewusste – entschlüsselt oder überhaupt erst zugänglich gemacht werden,

    Für Freud stellte sich die Psychoanalyse als der zentraler Ausweg aus den verworrenen Symptomen neurotischer Subjektivität dar, durch den es gelingen kann, das Unbewusste an die Oberfläche gewusster Intentionalität zu bringen, um das Es beherrschbar zu machen: Wo Es war soll Ich werden. Dadurch wird jede Selbsterkenntnis durch das Subjekt selbst in gewissem Sinne ausgeschlossen, denn das Wissen über Motivationen und Konstruktionen der Subjektivität wird damit zunächst einer außenstehenden Autorität überantwortet. Dies gelingt aber nur über den Weg einer Veräußerung des Subjekts, wodurch das Subjekt sich dabei aus größerer Entfernung wahrnimmt, um so zum eigentlichen Problem – letztlich wieder zu sich selber – zu kommen. Dem erkennenden Wesen Mensch im Sinne Kants wird in der Psychoanalyse mit diesem Konzept ein wesentlicher Teil möglicher Selbsterkenntnis entzogen. Das rührt in erster Linie auch von der Stellung der innerpsychischen Instanzen und deren Beziehungen zueinander her, denn so wie Freud diese postulierte, wird offenbar, dass ein gewisser Anteil an allgemeinen Erfahrungen immer jenseits der Schwelle des bewussten Erkennens des Menschen verläuft. Psychoanalytisch liegt darin auch die Legitimation für deren Entschlüsselung, weil sie einerseits Wesentliches für das Ich-Verständnis bereithält, andererseits ja eben gerade durch das Setting der psychoanalytischen Sitzung entschlüsselt werden kann.

    Der Reichtum und die Kompliziertheit des menschlichen Lebens besteht aus den verschiedenen Variationen, wie sie Phantasie und Wünsche durch eine immer neue Kombination aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herzustellen vermögen. Die Wirkung der kindlichen Phantasien auf die Gedankenwelt des Erwachsenen beinhaltet sowohl eine Regression wie auch die Umformung dieser Phantasien in eine Vorwärtsbewegung der psychischen Entwicklung.

    Eine Definition: Die Psychoanalyse ist eine von Sigmund Freud begründete Wissenschaft vom dynamischen Unbewussten, die auch eine spezifische Untersuchungsmethode und eine Behandlungsform darstellt. Heute gibt es drei große Hauptströmungen: Psychoanalyse (Freud und Nachfolger), Analytische Psychologie (Jung und Nachfolger) und Individualpsychologie (Adler und Nachfolger). Innerhalb der Psychoanalyse unterscheidet man vier große Schulen: Triebpsychologie und Weiterentwicklungen, Ich-Psychologie und Weiterentwickungen, Selbstpsychologie und Weiterentwicklungen und die Objektbeziehungstheorien und Weiterentwicklungen.Oft fasst man diese Verfahren unter Analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zusammen.

    Aus der Psychoanalyse heraus haben sich später die verschiedenen Schulen der Tiefenpsychologie entwickelt. Der Begriff „Psychoanalyse“ steht daher sowohl für das auf Freuds Theorien über die Psychodynamik des Unbewussten gegründete Beschreibungs- und Erklärungsmodell der menschlichen Psyche als auch für die psychoanalytischen Therapieformen, eine Gruppe von Verfahren zur Behandlung innerer und zwischenmenschlicher Konflikte, sowie für die psychoanalytische Methodik, die sich auch mit der Untersuchung kultureller Phänomene beschäftigt. In allen drei Aspekten wird die Psychoanalyse bis heute von Klinikern und Forschern weiterentwickelt und verändert, sodass die moderne Psychoanalyse durch einen theoretischen, methodischen und therapeutischen Pluralismus charakterisiert ist.

    Seit ihrer Entstehung an der Wende zum 20. Jahrhundert ruft die Psychoanalyse heftige und kontroverse Reaktionen hervor. Die österreichische Sozialpsychologin Marie ­Jahoda hat dieses Phänomen beschrieben: Dem Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud wird dabei von den streitenden Parteien nachgesagt, er sei ein Wissenschaftler oder ein Scharlatan; der Begründer einer neuen Psychologie oder ein Dichter; ein Philosoph oder ein Möchtegernphilosoph gab es die Darwinisten oder die Marxisten, die den Kampf um diese bahnbrechenden neuen Ideen führten, doch die meisten Psychoanalytiker beschränkten sich weitgehend auf ihre Berufspraxis und traten den oft massiven Angriffen nur selten entgegen. Daran hat sich vermutlich bis heute wenig geändert.

    Zum Verhältnis von akademischer Psychologie und Psychoanalyse

    Psychoanalytische Verfahren haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, wurden ausdifferenziert und ihr Setting und ihre Behandlungsweisen immer wieder modernisiert, wobei auch viele ursprünglich psychoanalytische Konzepte von zeitgenössischen verhaltenstherapeutischen Ansätzen aufgegriffen worden sind, etwa in der Schematherapie. Es gibt zahlreiche empirische Studien zur Wirksamkeit psychoanalytisch begründeter Verfahren und deren Konzepte, unter anderem in den Neurowissenschaften, der Bindungsforschung oder der aktuellen Psychotherapieforschung. Dennoch gibt es nach Ansicht von zahlreichen TherapeutInnen weiterhin eine Kluft zwischen psychoanalytischer Praxis und der Forschung in der akademischen Psychologie. Auch Studierende beklagen in Befragungen die einseitige verhaltenstherapeutische Ausrichtung der akademischen Lehre und Forschung in der Psychologie und fühlen sich über die unterschiedlichen Therapieverfahren – nicht nur der analytischen – nicht ausreichend informiert. Aktuelle Entwicklungen in anderen Therapieverfahren werden kaum rezipiert, junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die ein Interesse an Psychoanalyse mit einer Hochschulkarriere verbinden wollen, müssen sich meist gegen viele Widerstände und Vorbehalte durchsetzen.


    Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT), Georg Schäfer, beklagte in einem Interview die Verarmung der akademischen Lehre durch die Monokultur der Verhaltenstherapie. Die psychodynamischen Verfahren würden lustlos nach Lehrbuch abgehandelt, von Dozenten, die nur oberflächlich mit ihnen vertraut seien oder ihnen mit Skepsis begegneten. Es ist kein Geheimnis, dass insbesondere die Psychoanalyse unter Verhaltenstherapeuten viele Kritiker hat.

    Seit 2020 kann man in Deutschland zwar Psychotherapie studieren, aber in der Praxis stimmt das nur zum Teil. Aus dem Spektrum der psychotherapeutischen Verfahren ist an den staatlichen Universitäten nur die Verhaltenstherapie prominent vertreten, während die psychodynamischen Verfahren, also die Systemtherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Psychoanalyse, aus dem Lehrbetrieb fast verschwunden sind. Einen einzigen Lehrstuhl gibt es in Deutschland noch für die Psychoanalyse (in Kassel), für die tiefenpsychologisch fundierte und die systemische Therapie sieht es kaum besser aus. Das ist umso schwerer zu verstehen, als die psychodynamischen Verfahren von Patienten stark nachgefragt werden (fast die Hälfte wählt diese Behandlungsart) und ihre Wirksamkeit unbestritten ist, was durch die Zulassung bei den Krankenkassen dokumentiert wird.


    Eine hervorragende und umfassende Einführung findet sich auf der Website des Psychotherapeuten Richard L. Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund Freuds

    Kürzere Darstellungen bei Arthur Brühlmeier und Werner Stangl.


    Literatur

    https://www.psychoanalyse-aktuell.de/ (20-08-12)
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOTHERAPIE/ (10-04-15)
    Frankfurter Allgemeine von 26. April 2023


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