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Expertiseforschung

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Die Expertiseforschung (Ericsson & Charness, 1994) untersucht, wie sich AnfängerInnen und ExpertInnen in ihren Kompetenzen und deren psychologischen Grundlagen unterscheiden. Ziel der Expertiseforschung ist es, herauszufinden, wie man vom Anfänger zum Experten auf einem Gebiet (angefangen vom Schach über verschiedene Sportarten bis zum Erlernen eines Instruments) wird, und wie sich dieser Prozess gezielt fördern lässt. Die Ergebnisse der Expertiseforschung zeigen, dass erlerntes fachspezifisches Wissen und erlernte fachspezifische Fähigkeiten die Basis von Expertise bilden, wobei Experten nicht nur größeres sondern vor allem besser vernetztes und organisiertes Wissen besitzen als Anfänger. Dabei hängt das Ausmaß an fachspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten, also letztlich das Ausmaß der Expertise, wesentlich von der bisher aufgewendeten Lern- und Übungszeit ab. Experten wie Berufsmusiker oder Schachgroßmeister haben in ihrem Leben viel mehr Stunden an Übung in dem jeweiligen Fachgebiet aufgewendet als Menschen mit geringerer Expertise.

    Allerdings trägt nicht allein das reine Ausmaß der aufgewendeten Übungszeit zum Expertiseerwerb bei, sondern vor allem intelligentes Üben, d. h., wenn ein schlechter Musiker einfach nur sehr oft bestimmte Musikstücke spielt, so wird er eher seine Fehler wiederholen als sie auszumerzen. Es ist daher für Experten charakteristisch, dass sie kontinuierlich und gezielt die eigenen Schwächen erkennen, an diesen arbeiten und sich immer wieder neue anspruchsvolle Lernziele setzen. Ein solcher Lernprozess verlangt nicht nur Zeit, Ausdauer und Motivation, sondern auch beständiges Feedback von außen, etwa durch den Lehrer oder Trainer, das dem Übenden hilft, in diesem dynamischen Prozess die jeweils aktuellen eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen. Darüber hinaus beeinflusst auch die allgemeine Intelligenz den Erwerb von Expertise sehr stark, wobei angeborene Begabungen ebenfalls eine gewisse Bedeutung haben, die aber von Laien in ihrer Wichtigkeit oft überschätzt werden. Intelligenzdefizite können daher bis zu einem gewissen Grad durch ein hohes Maß an effizientem Üben kompensiert werden, sodass auch Menschen mit eher geringer Intelligenz vermutlich in längerer Zeit auch ein hohes Maß an Expertise erwerben können.

    In einer Längsschnittstudie, in der Schachspieler während ihrer gesamten Karriere verfolgt wurden, zeigten Vaci et al. (2019), dass sowohl Intelligenz als auch Übung den Erwerb und die Erhaltung von Schachfertigkeiten positiv beeinflussen. Dabei gibt es eine nichtlineare Beziehung zwischen den beiden Faktoren, dass nämlich intelligentere SpielerInnen mehr von der Übung profitieren, denn mit dem gleichen Maß an Übung erwarben sie schneller Schachfertigkeiten als weniger intelligente Spieler und erreichten eine höhere Leistung in Form von ELO-Punkten. Etwa fünfzig Prozent der Leistung von Schachspielern erklärt sich dabei durch die Kombination von Übung und Intelligenz, während die andere Hälfte durch Persönlichkeitsmerkmale, etwa Ausdauerfähigkeit, Motivation und emotionale Kompetenz zustande kommt. Wie in anderen Sportarten ist auch das Alter, ab dem jemand mit dem Schachspiel begonnen hat, dafür bedeutsam, um ein Schachmeister oder eine Schachmeisterin zu werden. Oft wird übrigens angenommen, dass das räumliche Vorstellungsvermögen bei Schachspiel eine wichtige Rolle spielt, weil man sich das Schachbrett für weitere Zugmöglichkeiten besser vorstellen kann, doch es zeigte sich, dass die Repräsentationen der Schachspieler abstrakt und eher zweidimensional sind. Wichtig ist allerdings die numerische Intelligenz,  denn je besser jemand rechnen kann, desto größer ist der Vorteil beim Schach. Diese Ergebnisse sind vermutlich auch auf andere Fertigkeiten übertragbar, etwa auf das Erlernen eines Musikinstruments oder eines Sports, wobei dann musikalische Begabung bzw. psychomotorische Fähigkeiten hinzukommen müssen.

    Beim Schachspiel werden zahlreiche Hirnregionen aktiviert, darunter der präfrontale Cortex, der für das Planen und Entscheiden zuständig ist, und die posterioren parietalen Cortices, die für die Verarbeitung visueller Informationen verantwortlich sind. Außerdem sind die Basalganglien und das Kleinhirn aktiv, die für die Feinabstimmung von Bewegungen und die Koordination von Muskelaktivitäten zuständig sind. Beim Schachspiel müssen die Spieler strategisch denken, mögliche Züge vorhersehen und mögliche Konsequenzen berücksichtigen, was kognitive Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Problemlösung und Entscheidungsfindung erfordert. Die Spieler nutzen auch ihr Arbeitsgedächtnis, um sich an frühere Züge zu erinnern und mögliche Züge zu planen. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Übung kann das Gehirn des Schachspielers umstrukturiert werden, um die spezifischen kognitiven Fähigkeiten zu verbessern, die für das Spiel erforderlich sind (Jittenmeier, 2023).

    Literatur

    Ericsson, K. A., & Charness, N. (1994). Expert performance: Its structure and acquisition. American Psychologist, 49, 725–747.
    Jittenmeier, F. (2023). Was passiert im Gehirn wenn man Schach spielt?
    WWW: https://www.chess-international.com/?p=71933
    Vaci, Nemanja, Edelsbrunner, Peter, Stern, Elsbeth, Neubauer, Aljoscha, BilaliÄ, Merim & Grabner, Roland H. (2019). The joint influence of intelligence and practice on skill development throughout the life span. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi:10.1073/pnas.1819086116.


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