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Ernährungspsychologie

    Die Ernährungspsychologie ist ein junges wissenschaftliches Teilgebiet der Psychologie, das diese mit der Ernährungswissenschaft verbindet. Im Mittelpunkt der Forschung stehen etwa die biologischen und psychischen Mechanismen, die Hunger, Durst und Appetit auslösen und die das Essverhalten von Menschen beeinflussen. Die Ernährungspsychologie kann damit zum Verständnis menschlichen Essverhaltens beitragen, aber auch die Wirkungen von Lebensmittelinhaltsstoffen auf die Psyche erforschen. Ein weiterer Aspekt ist die Untersuchung von Essstörungen, aber auch die Erforschung von Genuss und Ekel bei der Nahrungsaufnahme.
    Das Göttinger Institut für Ernährungspsychologie hat etwa einen Online-Fragebogen zum Ernährungswissen für Jedermann entwickelt.


    Beispiel für Forschungen zur Ernährungspsychologie:

    Veränderung im Essverhalten: traditionell, modern, postmodern

    Sproesser et al. (2019) haben durch eine Analyse von Metadaten die Unterschiede zwischen traditionellem und modernem Essverhalten untersucht, wobei mit Arbeitsgruppen in zehn Ländern jene Facetten dafür zusammengetragen wurden, was traditionelles und modernes Essen ausmacht. Dabei zeigte sich, dass es sich um ein multidimensionales Konzept handelt. Es kommt nämlich beim Essen nicht nur auf die Inhaltsstoffe an, sondern die traditionelle und moderne Art zu essen differiert vor allem in dem, wie gegessen wird. Nutrition Transition beschreibt dabei das Phänomen, dass es einen Wandel weg von hohem Konsum von Getreide, Obst und Gemüse hin zu tierischen Produkten sowie Fetten, Ölen und Zucker gibt, wobei sich traditionelles und modernes Essen auch durch die Form der Verarbeitung und Zubereitung unterscheiden, aber auch dadurch, in welchem Zeitraum und wo die Mahlzeiten eingenommen werden. Auch die Wertschätzung des Essens unterscheidet sich, denn heute wird weniger aufgehoben und es gibt mehr Abfall. Wurde früher mehr darauf geachtet, beim Essen satt zu werden, werden beim modernen Essverhalten eher Kalorien gezählt. Auch der soziale Aspekt liefert zusätzliche Unterscheidungsmerkmale, denn wurden früher eher Familienmahlzeiten eingenommen, essen die Menschen heute vermehrt allein. Man fand in der Studie auch Formen eines postmodernen Essverhaltens, denn es gibt einen Trend zurück zu traditionellem Essverhalten, wie etwa regional und saisonal zu essen.


    Essverhalten teilweise genetisch bedingt

    Masip et al. (2020) haben bei der Untersuchung des Essverhaltens die Daten einer finnischen Kohortenstudie von viertausend Zwillingen ausgewerte, wobei von den Probanden im Alter von 31 bis 37 Jahren Informationen bezüglich genetischer Veranlagung, Essverhalten, Body-Mass-Index und Taillenumfang einbezogen wurden. Zum einen wurden empirische Untersuchungen zur Abklärung von genetischer Prägung und umweltbedingten Faktoren gemacht, zum anderen wurden polygene Risikofaktoren berechnet, die auf genomweiten Assoziationsstudien beruhen, bei denen das komplette Genom tausender Menschen nach Genvarianten durchsucht wurde, um Variationen, die etwa mit einer bestimmten Krankheit assoziiert werden, zu finden. Dabei unterschieden sich Zwillinge beim Körpergewicht kaum, wobei es bei den viertausend untersuchten nur zehn bis zwanzig waren, die unterschiedliches Gewicht aufwiesen.

    Auch zeigte sich, dass das Essverhalten eineiiger Zwillingspaare deutlich ähnlicher ist als jenes von zweieiigen Zwillingspaaren. Man fand dabei vier erblich bedingte Verhaltensmuster beim Essen: „Snacking“, „unregelmäßiges und ungesundes Essen“, „restriktives Essen“ sowie das „emotionale Essverhalten“. Das zeigte sich am deutlich ähnlicheren Essverhalten eineiiger Zwillingspaare im Gegensatz zu jenem von zweieiigen, wobei genetische Risikofaktoren das Gewicht beeinflussen, indem sie das Essverhalten steuern. Das gilt besonders für „Snacking“, das durch ein „Überessen“ bzw. „nicht aufhören können“ charakterisiert ist, sowie dem Naschen zwischen den Mahlzeiten und auch abends.

    Offenbar haben es manche Menschen schwerer, ihr Gewicht zu halten, als andere, wobei die Gene aber nicht deterministisch sind, denn die Gene haben sich über Generationen hinweg kaum bis gar nicht verändert, und dennoch gibt es in Europa immer mehr Menschen mit Übergewicht und Adipositas. So kann man nach Ansicht der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit einer ausgewogenen Ernährung, körperlicher Bewegung sowie mit ausreichend Schlaf man gegen die genetische Determination ankämpfen.

    Neuere Untersuchungen zeigen auch, dass der Lebensstil der Eltern Spuren im Erbgut der Kinder hinterlässt, wobei insbesondere bei Adipositas und Diabetes Epigenetik vermutlich eine Rolle spielt. Interessanterweise schlägt auch das Essverhalten des Vaters vor der Zeugung und der Lebenswandel der Eltern insgesamt auf den Nachwuchs durch, denn Kinder von Rauchervätern haben etwa eher Asthma. Allerdings ist die epigenetische Vererbung anders als genetische Vererbung prinzipiell reversibel, sodass die Häufigkeit von Fettleibigkeit und Diabetes bei entsprechendem Lebenswandel über Generationen hin wieder abnehmen kann (Stangl, 2020).

    Jahreszeiten und der Appetit

    Viele Menschen haben gerade im Herbst und im Winter Lust auf deftige Speisen oder Süßigkeiten wie Schokolade, was wohl auch daher kommt, dass das menschliche Gehirn den Appetit mit Rücksicht auf die Jahreszeiten steuert. Je nach Jahreszeit und Außenbedingung entstehen die Vorstellungen zum passenden Essen, d. h., wenn im Sommer die Tage lang sind, viel Licht vorhanden ist und die Temperatur hoch sind, dann haben Menschen eher Lust auf leichtere Kost. Im Winter hingegen, wenn die Tage kürzer sind, wenn es draußen kalt ist, dann wollen sich Menschen so eine Art Vorrat in Form von Winterspeck anessen und entwickeln daher Lust auf energiereiche Kost. Hierbei spielen natürlich auch traditionelle Gewohnheiten eine Rolle, denn die Angebote in der Gastronomie passen sich in der Regel den Jahreszeiten und regionalen Gegebenheiten an. Zu Martini eine Gans mit Knödel und Blaukraut ist nicht nur traditionell sondern macht auch im Hinblick auf den Körper Sinn. Auch der menschliche Geschmackssinn stellt sich auf Winterbetrieb um, wobei die Tageslänge dabei eine wichtige Rolle spielt. So wirken auch viele Gewürze und Süßspeisen stimmungsaufhellend, man denke dabei nur an die Weihnachtsbäckerei, an Lebkuchen oder den Christstollen. Daher ist der menschliche Geschmackssinn an das eigene Wohlbefinden gekoppelt und die im Herbst immer schwächer werdende Sonneneinstrahlung gibt ein inneres Signal, dass Menschen mehr Kalorien zu sich nehmen sollten, denn der karge Winter steht vor der Tür. Man kann annehmen, dass vieles davon auch genetisch und über die Evolution in den Menschen verankert ist.

    Literatur

    Austel, A., Mickelat, S., Heseker, H. & Ellrott T. (2009). Der Ernährungs-IQ. Entwicklung und Evaluierung eines Internet-Tests zum Ernährungswissen. Ernährungs-Umschau, 56, 24-31.
    Masip, Guiomar, Silventoinen, Karri, Keski-Rahkonen, Anna, Palviainen, Teemu, Sipilä, Pyry N, Kaprio, Jaakko & Bogl, Leonie H. (2020). The genetic architecture of the association between eating behaviors and obesity: combining genetic twin modeling and polygenic risk scores. The American Journal of Clinical Nutrition, doi:10.1093/ajcn/nqaa181.
    Sproesser, Gudrun, Ruby, Matthew B., Arbit, Naomi, Akotia, Charity S., Alvarenga, Marle dos Santos, Bhangaokar, Rachana, Furumitsu, Isato, Hu, Xiaomeng, Imada, Sumio, Kaptan, Gülbanu, Kaufer-Horwitz, Martha, Menon, Usha, Fischler, Claude, Rozin, Paul, Schupp, Harald T. & Renner, Britta (2019). Understanding traditional and modern eating: the TEP10 framework. BMC Public Health, 19, doi:10.1186/s12889-019-7844-4.
    Stangl, W. (2019). Stichwort: ‚Epigenetik‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: https://lexikon.stangl.eu/1245/epigenetik/ (19-07-23)


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