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neuronale Kopplung

    Neuronale Kopplung bezeichnet jenen Prozess, bei dem die Gehirnaktivität eines Zuhörers die eines Sprechers widerspiegelt, sodass eine Art neuronaler Gleichklang entsteht. Aus früheren Studien weiß man, dass Aktivierungsmuster in Reaktion auf dieselben natürlichen Reize, also etwa gesprochene Sprache, bei verschiedenen Individuen sehr ähnlich aussehen, d.h., es sind die gleichen Gehirnregionen aktiv. Man vermutet daher, dass Sprecher bei der Kommunikation auch verstehende Gehirnareale verwenden sowie Zuhörer auch produktive.

    Man konnte in Untersuchungen (Stephens at al., 2010) nun zeigen, dass die Gehirnaktivität von Zuhörern die eines Erzählers mit Verzögerung widerspiegelt, wobei einige Areale bereits dann Aktivität zeigen, bevor sie im Gehirn der Sprecher messbar wurden, d. h., dass Zuhörer offensichtlich unbewusst Voraussagen über den Fortgang einer Geschichte entwickeln. Es konnte auch belegt werden, dass je besser die antizipatorische Sprecher-Zuhörer-Kopplung ist, desto besser das inhaltliche Verständnis einer Erzählung ist, sodass man die neuronale Kopplung zwischen Gesprächspartnern als eine Grundlage erfolgreicher Kommunikation bezeichnen kann. Vor allem der emotionale Teil des Gehirns erlaubt es Menschen, sich gut in Geschichten und Situationen hineinzuversetzen. Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie eng Sprachproduktion und Sprachperzeption miteinander zusammenhängen, denn die neuronale Kopplung zeigte sich auf allen Ebenen, von der einfachen phonetisch-akustischen Verarbeitung bis zu extralinguistischen Bereichen, die etwa für den situativen Kontext zuständig sind. Diese Verknüpfung verweist auf die Verbindung zwischen Aktion und Wahrnehmung, wie sie bei der Entdeckung der Spiegelneuronen festgestellt wurde, denn diese zeigen sowohl bei der Ausführung als auch beim bloßen Beobachten motorischer Handlungen dieselbe Aktivierung. Vermutlich bilden diese Mechanismen die Grundlage für Empathie sowie Imitation und ermöglichen Menschen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

    Dignath et al. (2020) haben gezeigt, wie solche Vorhersagen auf neuronaler Ebene vor sich gehen. Ziel ihrer Studie war es nachzuweisen, dass solche Effekte im Elektroenzephalogramms messbar sind, während eine Handlung geplant, aber noch nicht ausgeführt wird. Sie sind dabei davon ausgegangen, dass es eine neuronale Aktivität gibt, die die Erwartungshaltung widerspiegelt und dem Handeln vorausgeht. Um das zu überprüfen, zeichnete man die Gehirnaktivität von Probanden und Probandinnen mithilfe eines Elektroenzephalogramms auf. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Erwartung dessen, was man im Experiment in der Umwelt veränderte, sich bereits vor Beginn der Handlung in der Gehirnaktivität nachweisen lässt. Die Resultate stützen damit auch die klassische Theorien der Handlungskontrolle, die besagen, dass Menschen handeln, um etwas zu bewirken. Sie erzeugen dadurch absichtlich bestimmte Handlungseffekte und sind somit aktiv Handelnde und nicht passiv Reagierende.

    Literatur

    Dignath, D., Kiesel, A., Frings, C., & Pastötter, B. (2020) Electrophysiological evidence for action-effect prediction. Journal of Experimental Psychology: General, 149, 1148–1155.
    Stephens, G. J., Silbert, L. J. & Hasson, U. (2010). Speaker-listener neural coupling underlies successful communication. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107, 14425–14430. doi: 10.1073/pnas.1008662107.


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