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Synkrasiphobie

    Eine Theorie über die psychologischen Mechanismen der Synkrasiphobie (manchmal auch als Mixophobie bezeichnet), der „Angst vor Vermischung“, wurde von Wagner, Kronberger & Holtz (2010) entwickelt. Die „Angst vor Vermischung“ beginnt früh in der Geschichte der Menschheit, denn neue Gebiete wurden entweder friedlich oder gewaltsam besiedelt, da in ihnen bereits andere ethnische Gruppen lebten, wodurch es zu einer inter-ethnischen Fortpflanzung (Prokreation) kam. Besonders die VertreterInnen der dominanten Mehrheiten lehnten ethnische und biologische Mischung ab, da sie die überlieferte soziale Ordnung und die bestehenden sozialen Kategorien in Frage stellt. Nach der neuen Theorie tendieren Menschen dazu, allen Lebewesen eine art-bezogene Wesenhaftigkeit oder Essenz zuzuschreiben, die bestimmt, welche Eigenschaften die individuellen VertreterInnen einer biologischen Art oder Gattung in der Wahrnehmung des Beobachters besitzen. Denken in Essenzen bedeutet, dass Lebewesen ihre Essenz nicht wechseln können und dass umgekehrt der „Besitz“ einer bestimmten Essenz die Art-Zugehörigkeit des Individuums eindeutig bestimmt. Bekanntlich werden Tiere, denen Gene einer anderen Tierart gentechnisch eingepflanzt werden, als „monströs“ wahrgenommen und affektiv abgelehnt, denn „Genmischung“ führt in der Vorstellung vieler Menschen zu einem „Kollaps der Essenzen“, sodass gentechnische Hybride als weder der einen noch der anderen Art zugehörig erlebt werden. Experimentelle Studien zeigen, dass VertreterInnen ethnischer Gruppen als TrägerInnen einer spezifischen und „naturgegebenen“ Essenz wahrgenommen werden. Da Essenzen aber nicht „mischbar“ sind, besitzen die Kinder ethnisch gemischter Paare in den Augen vieler Menschen keine eigene, durch eine Essenz bestimmte Identität, sodass sie gegenüber „reinen“ Kindern der eigenen und der Fremdgruppe abgewertet werden. Diese Tendenz der Zuschreibung von Essenzen korreliert stark mit der politischen Orientierung. Essenzialistisches Denken ist eine kognitive Heuristik oder Denkabkürzung, der viele Menschen unbewusst folgen, und hilft den Menschen, schnelle Urteile zu fällen. Synkrasiphobie fußt offensichtlich auf tiefsitzenden Eigenschaften der menschlichen Kognition, wobei ein wesentlicher Teil essenzialistischen Denkes ist auch im Sprachgebrauch verankert, sodass etwa LehrerInnen eine differenzierte Sprache gebrauchen sollten, und Menschen individuell und nicht über ihre Gruppenzugehörigkeit angesprochen werden sollten.
    Quelle: Wagner, W. & Mairhofer, A. (2010). Theorie über „Angst vor Vermischung“: Von der Furcht vor Genetik und Migration bis hin zum Rassismus.
    WWW: http://www.jku.at/content/e213/e63/e43?apath=e32681/e65056/e102501/e104688 (10-11-22)


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