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Neurotheologie

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Wie alles Erleben hängen auch Glaubenserfahrungen mit komplexen Vorgängen im Gehirn zusammen, sodass seit einigen Jahren Hirnforscher unter dem Titel Neurotheologie dem Geheimnis des Glaubens auf die Spur zu kommen versuchen. Mit Hilfe der Neurowissenschaft versuchte man Ende der 1990er Jahre, mystische Erlebnisse zu erklären, denn in der Meditation oder im Gebet erschließt sich manchen Menschen ein Zustand, in dem das Selbst, die Zeit und die Materie zu verschwinden scheinen, wobei etwa Buddhistische Mystikerinnen und Mystiker  vom Aufgehen im All-Einen sprechen, christliche Mystiker von der Begegnung mit Gott und der Ewigkeit. Sigmund Freud sprach übrigens in diesem Zusammenhang von ozeanischen Gefühlen. Wenn bestimmte Hirnregionen bei Meditation und Gebet besonders aktiv sind, könnte dies ein Hinweis auf eine biologische Basis für die Glaubensfähigkeit des Menschen sein. Dieses noch relativ neue Forschungsgebiet, wobei ihre Vertreter wie Philosophen, Neurologen, Psychologen und Radiologen sind, wollen Gott im Menschen dingfest machen und religiöse Empfindungen, Erscheinungen und Gefühle neurophysiologisch, d. h., als Vorgänge und Prozesse in den Nervenzellen, erklären.

    Diesen Ansatz der Neurotheologie, der seit etwa 25 Jahren diskutiert wird, lehnen aber einige Wissenschaftler aber ab. Glaubensvorstellungen entwickeln sich nämlich in der Regel im Dialog zwischen Menschen, etwa durch Ausübung von Ritualen oder häufige Wiederholung von Ideen, wobei konzeptuelle Glaubensvorstellungen (conceptual beliefs) entstehen. Religionen nutzen ja bekanntlich Wiederholung und Emotion, um Glaubensprozesse einzuleiten und Glauben zu stabilisieren, wenn Menschen in der katholischen Kirche eine Kniebeuge machen, in den Weihwasserkessel greifen, ein Kreuz schlagen, oder in der Moschee sich vor dem Gebet die Hände waschen oder zum Gebet auf einen Teppich knien. Hinzu kommt dann noch das Läuten von Kirchenglocken oder die Stimmung, die der gemeinsame Gesang in einer nachhallenden Kirche erzeugt. Da diese Prozesse häufig ablaufen, stabilisieren sich Muster im Gehirn, was dazu führt, dass sich bei Menschen dann bestimmte Glaubensvorstellungen sehr stabilisieren. Glaubensvorstellungen dienen also der Stabilisierung von Wertehaltungen, der Erklärung des vermeintlich Unerklärlichen, also innerhalb einer Religion koordiniertes kollektives Handeln ermöglichen.

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Andrew Newberg hat die Neurotheologie in seinem Buch Der gedachte Gott populär gemacht, denn er vermeinte, wenn Gott tatsächlich existiert, so ist das Gewirr der neuronalen Leitungen und physiologischen Strukturen des Gehirns der einzige Ort, an dem er seine Existenz offenbaren kann. Neurotheologen versuchen die Spuren religiöser Praxis mit Hilfe der Computertomografie zu messen, wobei bei Experimenten mit buddhistischen Mönchen und katholischen Nonnen man eine Abnahme der Aktivität in einem speziellen Hirnbereich feststellte, der für die räumliche Orientierung zuständig ist, d. h., im Gebet hatten die untersuchten Menschen das Gefühl, ihr Selbst zu verlieren und quasi in der Ewigkeit zu versinken. Das menschliche Gehirn ist offenbar durch Übung in der Lage, die Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen zu unterdrücken. Ein Selbst, das keine Außenwelt mehr wahrnimmt, kann dann auch sich selbst in Abgrenzung zu dieser Außenwelt nicht mehr erleben, sodass ein Urgrund übrig bleibt, also der philosophische Begriff dafür, dass Zeit, Raum, und materielle Welt keine Bedeutung mehr haben. Der Urgrund ist demnach jener Hintergrund, vor dem das Gehirn sich die Welt und das Selbst konstruiert, der naturwissenschaftlich nie bewiesen werden kan. Die Menschen, die solche mystischen Erlebnisse hatten, hatten keinerlei Zweifel an der realen Existenz dieser jenseitigen Welt, wobei dieses Gefühl anders als bei halluzinierenden Menschen auch nach Ende ihrer mystischen Episode anhielt.

    Siehe dazu Neuropsychologie der Religiosität.

    Literatur

    Angel, H. F. (2022). Credition. Fluides Glauben. Kultur- und Wissenschaftsgeschichte von einem blinden Fleck und seinem Ende. Baden-Baden: Deutscher Wissenschaftsverlag.
    Newberg, A., D’Aquili, E. & Rause, V. (2004). Der gedachte Gott. Wie Glaube im Gehirn entsteht. München: Piper Verlag.
    Stangl, W. (2023, 24. Juli). Wie entstehen Glaubensvorstellungen? Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/4629/wie-entstehen-glaubensvorstellungen.

     


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