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Impostor-Syndrom

    Ziel des Lebens ist es, nicht ein erfolgreicher Mensch zu sein, sondern ein wertvoller.
    Albert Einstein

    *** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Das Impostor-Phänomen, auch als Hochstapler-Syndrom bzw. Hochstapler-Phänomen oder Betrüger-Phänomen bezeichnet, ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene unfähig sind, ihre Erfolge zu internalisieren. Trotz offensichtlicher Beweise für ihre Fähigkeiten sind die Betroffenen davon überzeugt, dass sie ihren Erfolg erschlichen haben und diesen nicht verdient haben. Von anderen als Erfolge angesehene Leistungen werden von den Betroffenen mit Glück, Zufall oder mit der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten von anderen erklärt. Erstmals beschrieben und empirisch belegt wurde dieser Widerspruch zwischen Sein und Schein von Clance & Imes (1978), wobei vor allem erfolgreiche Frauen glauben, dass sie nicht besonders intelligent sind und von anderen überschätzt werden. Die beiden klinischen Psychologinnen fanden dieses Phänomen bei erfolgreiche Frauen, die hervorragende Ergebnisse in Leistungstests erzielten,  überdurchschnittlich gut ausgebildet und sogar für ihre Arbeit ausgezeichnet worden waren, aber dennoch vom Gefühl gequält wurden, sie verdienten ihren Erfolg nicht und würden bald als Schwindlerinnen auffliegen.

    Manche Menschen sind offenbar unfähig, an ihre eigene Leistung zu glauben, vielmehr sind sie eher davon überzeugt, ihre Erfolge durch Beziehungen oder Glück erreicht zu haben, nicht aber auf Grund ihrer Fähigkeiten. Sie halten sich also für kognitive Hochstapler und fürchten, ihre vermeintlich wahre und geringe Leistungsfähigkeit könnte schon bald enttarnt werden. Man vermutet, dass hinter dem Syndrom negative Kindheitserfahrungen stehen, wenn die Betroffenen etwa im Elternhaus gelernt haben, dass sie nur geliebt werden, wenn sie permanent hohe Leistungen erzielen. Charakteristisch für Menschen mit dem Impostor-Phänomen sind allerdings auch eine überdimensionierte Vorstellung von Kompetenz und große Furcht vor negativer Kritik.

    Nach Ansicht von Sonja Rohrmann, die Erfahrungen mit dem Impostor-Phänomen gemacht, nutzen manche Menschen das Impostor-Phänomen als Skill. Menschen mit einem Impostor-Selbstkonzept sind oft beliebte Mitarbeiter, denn sie haben einen hohen Anspruch an sich selbst, sind überdurchschnittlich qualifiziert und produzieren sehr gute Ergebnisse, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Menschen, die sich ständig in Frage stellen, meiden oder überspielen Situationen, denen sie sich nicht gewachsen fühlen, woraus aber Prokrastination, Perfektionismus oder ein blinder Aktionismus folgen können. Oft bleiben solche Menschen hinter ihren Möglichkeiten zurück, verschenken Potenzial und erledigen stattdessen auch kleinste Aufgaben übergründlich, denn das Motto ist, bloß keinen Fehler zu machen, bloß nicht zu versagen. Diese Menschen machen alles, um ihre Kompetenz zu beweisen, vor allem sich selbst gegenüber, was so weit gehen kann, dass für sie nur noch die Arbeit zählt, ihr Sozialleben brachliegt. Doch niemand kann auf Dauer nur Höchstleistung geben, das permanente Maximum ist aber in der Regel nicht das Optimum. Da für Menschen mit Impostor-Phänomen alles stark leistungsorientiert ist, geben sie nicht nur viel, sie legen ihren eigenen Maßstab auch an andere an.

    Bei einer starken Ausprägung des Syndroms können die Folgen daher äußerst belastend sein, ähnlich wie bei einer Angststörung oder einem Burnout, im schlimmsten Fall prägt es das ganze Leben und die Betroffenen werden depressiv. Generell ist es für Menschen schwierig einzuschätzen, was noch normale Selbstzweifel sind und ab wann man von Hochstapeln sprechen kann. Kritisch wird es immer dann, wenn Menschen ihre Leistung systematisch unterschätzen und sich gleichzeitig unverhältnismäßig große Sorgen machen, bei der Erfüllung von wichtigen Aufgaben den Ansprüchen nicht zu genügen. Wichtig ist dann zunächst einmal, das eigene verquere Denkmuster zu erkennen und dieses zu hinterfragen. Solche Menschen sollten sich Rückmeldungen von Freunden holen, die ihnen wohlgesonnen sind, denn bis zu einem bestimmten Grad ist es völlig normal, im Alltag in bestimmten Situationen eine Rolle zu spielen.

    Kompetent zu sein und sich kompetent zu fühlen, sind offenbar zwei unterschiedliche Aspekte, wobei Psychologen empfehlen, Listen mit Erfolgen, die durch eigene Anstrengungen erzielt wurden,  zu führen und auch aufzuschreiben, wenn etwas ganz ohne eigenes Zutun gescheitert ist.  Man kann daher also eine Art Erfolgstagebuch zu führen, in dem man regelmäßig notiert, wenn man eine positive Rückmeldung bekommen und eine besondere Leistung erbracht hat. Sind die Zweifel wieder einmal übermächtig, hilft dann ein Blick in das Tagebuch.

    Manche diese Menschen sind jedoch psychisch krank, wenn sie aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus ein Lügengebäude aufbauen, das immer größer wird und schließlich in sich zusammenbricht. Wenn Betroffene etwa eine sehr ehrgeizige Mutter hatten, der sie nie entsprechen und vertrauen konnten, dann kann z. B. das Vortäuschen eines Universitätsabschlusses aus diesem Druck heraus eine negative Kompensation bedeuten. Manchmal sind Betroffene auch so von sich selbst überzeugt – etwa beim Vortäuschen eines Medizinstudiums -, dass sie auch anderen dieses Gefühl vermitteln, d. h., sie trauen sich alles zu, haben ein überbordendes Selbstvertrauen und leiden unter Realitätsverlust. Am Ende scheitern sie und sind schwer depressiv bis hin zur Selbstmordgefährdung. Man sollte Betroffene daher nicht einfach als verrückt abzustempeln, sondern ihnen psychiatrische oder psychologische Hilfe nahelegen, damit diese ein gelungenes und erfülltes Leben ohne Gefahr für die Gesellschaft führen können.

    Nach Mirjam Zanchetta (Abteilung für Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Salzburg) haben schon bis zu siebzig Prozent der Berufstätigen einmal unter dem Hochstapler-Phänomen gelitten. Nach Ansicht der Psychologin liefern die Betroffenen zwar sehr gute Leistungen und werden auch von anderen für fähig gehalten, doch innerlich sind sie davon überzeugt, dass sie nichts können. Die Betroffenen führen ihren Erfolg vor allem auf glückliche Umstände oder Zufall zurück und sehen diesen bestenfalls als Produkt ihres Fleißes, glauben also nicht an ihre eigenen Leistungen und Fähigkeiten, sondern leben permanent in der Angst, als Täuscher enttarnt zu werden. Aus diesem Denken heraus entwickelt sich ein Teufelskreis aus Selbstzweifel, Angst, Stress und übermäßigem Arbeitseinsatz. Man vermutet, dass dieses Phänomen eher nicht ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal ist, sondern nur eine Reaktion auf konkrete Ereignisse.

    Das Phänomen findet sich übrigens sowohl bei Männern als auch bei Frauen, doch lassen sich Frauen weniger in ihrem Selbstbild beeindrucken und steigern nach Kritik ihre Anstrengungen, während Männer sich nach einem negativen Feedback eher hängen lassen und stärker unter Versagensangst leiden. Negatives Feedback verstärkt aber bei beiden Geschlechtern den Glauben daran, dass es ganz grundsätzlich an der nötigen Kompetenz fehlt, was weitere Zweifel hervorbringt, sodass die Betroffenen die eigenen, und dann meist überzogenen Ansprüche an sich noch steigern (Badawy et al., 2018).

    Die Ursachen für das Hochstapler-Syndrom sind vielfältig und ist wohl eine Wechselwirkung zwischen der Anlage, also einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur, die meist eher ängstlich, emotional labil oder introvertiert ist, und bestimmten umweltbedingten Einflussfaktoren. Man geht heute davon aus, dass bestimmte familiäre Konstellationen die Ausprägung fördern können, wenn etwa in der Familie ein sehr hoher Leistungsanspruch besteht und die Kinder das Gefühl haben, dass ihr Wert hauptsächlich von ihrer Leistung abhängt. Typische Rollenzuschreibungen verstärken das Phänomen zusätzlich, wenn etwa die Rolle des Intelligenten in der Familie schon besetzt ist und der oder die Betroffene selbst eher für charmant oder attraktiv gehalten wird, so kann das Gefühl entstehen, die Rolle des eigenen Erfolgs gar nicht zu verdienen, weil die anderen ja eigentlich die Klugen und Intelligenten sind. So kommt es auch dazu, dass man glaubt, man müsse auf jeden Fall immer der Beste sein und das muss auch noch spielend leicht gelingen. Ist das Syndrom stark ausgeprägt, kann es zu depressiven Verstimmungen kommen, wobei Perfektionismus und der Drang, eine Fassade aufrecht erhalten zu müssen, einen Arbeitswahn bis hin zum Burnout auslösen können.

    Siehe dazu das Attribuierungsmodell von Weiner: Weiners Konzept der Attribution besagt, dass die Ursache von Handlungen in Bezug auf eine gegebene Person innerhalb (internal) oder außerhalb (external) attribuiert werden kann. External sind Kausalfaktoren, die außerhalb eines gegebenen Organismus lokalisiert werden, internal sind solche Kausalfaktoren, die innerhalb eines gegebenen Organismus lokalisiert werden. Hinzu kommt als zweite Dimension die Stabilität vs Variabilität, auf Personenseite: Können (Fähigkeit=stabil) und Versuchen (Anstrengung=variabel); auf der Umweltseite: Schwierigkeit (stabil) und Glück (variabel).

    Gardner et al. (2019) haben in zwei Studien untersucht, wie Individuen mit der Wahrnehmung von Betrug umgehen, wenn sie für ihre zukünftige Karriere trainieren. Basierend auf Interviews mit Trainingsexperten wurden in einer qualitativen Analyse sowohl konstruktive als auch unangepasste Taktiken aufgedeckt, mit denen diese Probanden und Probandinnen (Studierende) mit wahrgenommenem Betrug umgehen. Am schlechtesten erwiesen sich dabei „Unterdrücken“ und „Ablenken“, sondern es ist besser, sich dem Problem zu stellen und mit anderen darüber zu sprechen, wobei es darauf ankommt, mit wem, denn wer Unterstützung außerhalb der eigenen sozialen Gruppe sucht, sieht eher das Gesamtbild, d. h., in der eigenen Bezugsgruppe zu bleiben, verengt den Blick auf das vermeintliche eigene Defizit. Allerdings wirkt sich das Gefühl der Hochstapelei nicht auf die eigene Leistung aus, denn Probanden mit dem Syndrom können ihre Arbeit weiter gut erledigen, allerdings glauben sie nicht an sich. Die Hauptursachen des Hochstapler-Syndroms liegt demnach in dem Gedanken, dass man selber von anderen nicht so gesehen wird, wie man wirklich ist. Als Strategie empfehlen die Studienautoren deshalb, offen über eigene Fehler und Probleme zu sprechen.

    Das gegenteiliges Phänomen wird übrigens als Dunning-Kruger-Effekt bezeichnet, bei dem die Betroffenen dazu neigen, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, während sie das tatsächliche Können von eindeutig Kompetenteren unterschätzen.

    Anmerkung: Die Existenz dieses Syndroms ist übrigens umstritten, d. h., es wird weder im ICD-10 noch im DSM-5 angeführt.


    Ein Schnell-Check, ob man unter der Hochstapler-Persönlichkeit leidet:

        • Ich bin nicht gut genug.
        • Ich freue mich nur kurz über Erfolg – wenn überhaupt.
        • Ich habe ständig Angst, dass jemand meine Unfähigkeit aufdeckt.
        • Ich bitte selten oder nie um Hilfe
        • Ich mag keine Komplimente.
        • Ich denke mein Umfeld überschätzt mich.
        • Ich lege großen Wert darauf, was andere Leute denken.

    Je mehr Aussagen man zustimmt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, vom Hochstapler-Phänomen betroffen zu sein


    Literatur

    Badawy, Rebecca L., Gazdag, Brooke A., Bentley, Jeffrey R. & Brouer, Robyn L. (2018). Are all impostors created equal? Exploring gender differences in the impostor phenomenon-performance link. Personality and Individual Differences, 131, 156-163.
    Clance, P. R., & Imes, S. A. (1978). The impostor phenomenon in high achieving women: Dynamics and therapeutic intervention. Psychotherapy: Theory, Research & Practice, 15, 241-247.
    Gardner, Richard G., Bednar, Jeffrey S., Stewart, Bryan W., Oldroyd, James B., & Moore, Joseph (2019). “I must have slipped through the cracks somehow”: An examination of coping with perceived impostorism and the role of social support. Journal of Vocational Behavior, 115, doi:10.1016/j.jvb.2019.103337.
    Neureiter, M. & Traut-Mattausch, E. (2016). An inner barrier to career development: Preconditions of the impostor phenomenon and consequences for career development. Frontiers in Psychology, 7, 1-15.
    Stangl, W. (1998). Motive und Motivation Psychologische Erklärungsmodelle.
    WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/MOTIVATION/MotivationModelle.shtml (98-03-02)
    OÖN vom 28. Februar 2018
    https://kurier.at/leben/psychologie-erfolgreich-im-job-gefuehlt-ein-versager/400029169 (18-05-02)
    https://www.ikk-classic.de/gesund-machen/arbeiten/hochstapler-syndrom (18-12-21)


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    5 Gedanken zu „Impostor-Syndrom“

    1. Was kann man nach einer KI gegen das Impostor-Syndrom tun?

      Selbstreflexion: Achten Sie darauf, Ihre eigenen Gedanken und Überzeugungen zu erkennen. Seien Sie sich bewusst, wenn Selbstzweifel auftauchen, und versuchen Sie, diese rational zu betrachten.
      Bewusstsein entwickeln: Es kann helfen zu wissen, dass das Impostor-Syndrom weit verbreitet ist. Viele Menschen, die richtig erfolgreich sind, haben ähnliche Unsicherheiten und zweifelhafte Gedanken. Denk daran, wenn wieder negative Gedanken auftauchen. Besonders dann, wenn Overthinking dich quält!
      Realistische Ziele setzen: Setzen Sie sich realistische Ziele und erkennen Sie Ihre Erfolge an. Machen Sie sich bewusst, dass niemand perfekt ist und dass Fehler und Rückschläge Teil des Lernprozesses sind.
      Positive Selbstgespräche: Ersetzen Sie negative Selbstgespräche durch positive und konstruktive Gedanken. Statt sich darauf zu konzentrieren, was Sie nicht können, denken Sie an das, was Sie erreicht haben und welche Fähigkeiten Sie besitzen.
      Erfolgreiche Leistungen anerkennen: Nimm deine Erfolge bewusst wahr und würdige sie. Sag nicht einfach, dass alles Glück war. Denk daran, dass deine harte Arbeit und herausragenden Fähigkeiten dazu geführt haben. Wenn du in einem Projekt erfolgreich warst, dann verdienst du die Anerkennung und kannst dich auch dafür feiern lassen!
      Mentorship: Suchen Sie Unterstützung von Mentoren oder Kollegen. Der Austausch mit anderen, die ähnliche Gefühle erlebt haben, kann beruhigend sein und Ihnen helfen, Ihre Perspektive zu erweitern.
      Unterstützung finden: Sprich mit anderen über das Impostor-Syndrom. Egal, ob du mit deinen Freund:innen redest oder dich an eine:n Therapeut:in wendest. Manchmal kann es helfen, sich mit anderen darüber zu auszutauschen. Vielleicht hat dein:e Freund:in sogar genau dasselbe Gefühl, sodass ihr euch gegenseitig unterstützen könnt.
      Erfolge dokumentieren: Behalten Sie eine Liste Ihrer Erfolge und positiven Rückmeldungen. Wenn Sie sich unsicher fühlen, schauen Sie sich diese Liste an, um sich daran zu erinnern, was Sie erreicht haben.
      Erfolgsjournal führen: Halte deine Erfolge fest, ebenso wie positives Feedback oder Komplimente, die du bekommst. Wenn du dich mal wieder fragst, ob du wirklich so gut bist, schau in dein Erfolgstagebuch. Wenn du dir hin und wieder das Lob du für deine Leistungen vor Augen hältst, kann es dich daran erinnern, wie talentiert du wirklich bist.
      Lernen, Nein zu sagen: Erlernen Sie, Nein zu sagen, wenn Sie überfordert sind. Manchmal fühlen sich Menschen mit dem Impostor-Syndrom dazu verpflichtet, jede Gelegenheit anzunehmen, um zu beweisen, dass sie kompetent sind. Es ist wichtig zu erkennen, dass es in Ordnung ist, Grenzen zu setzen.
      Weiterbildung: Investieren Sie in Ihre Weiterbildung und berufliche Entwicklung. Je mehr Sie sich weiterbilden und Fähigkeiten erwerben, desto selbstbewusster werden Sie in Ihrer Arbeit.
      Therapie oder Coaching: In einigen Fällen kann es hilfreich sein, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, insbesondere wenn das Impostor-Syndrom erhebliche Auswirkungen auf Ihre Lebensqualität und Karriere hat. Ein Therapeut oder Coach kann unterstützen, die zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen und konkrete Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

    2. Basima Tewfik

      Nach einer Untersuchung von Basima Tewfik vom Massachusetts Institute of Technology Sloan School of Management kompensieren manche Menschen das Hochstapler-Syndrom durch mehr soziale Interaktionen mit ihren KollegInnen. Menschen, die am Arbeitsplatz denken, sie seien Betrüger, fokussieren sich aufgrund dieser Gedanken stärker auf andere, und je mehr sie sich an anderen orientieren, desto effektiver werden sie auf zwischenmenschlicher Ebene auch wahrgenommen. Dieser Kompensationsmechanismus ist jedoch nicht systematisch.

    3. Wie können Betroffene ihre Zweifel und Ängste überwinden?

      Sie müssen lernen, alles anzuzweifeln, was wir über uns selbst denken, denn im Zweifeln sind die Betroffenen zwar sehr gut, jedoch nicht, was die eigenen Gefühle und Gedanken angeht. Wer diese hinterfragt, kann erkennen, dass ein Gefühl nur ein Gefühl ist und nicht stimmen muss, denn Angst ist nicht der Beweis, dass man nichts kann. Außerdem ist es wichtig, den Fokus zu verschieben und bei allen Fehlern, die man an sich selbst entdeckt, auch aktiv nach Stärken und Erfolgen zu suchen. Es kann dabei helfen, diese Punkte schriftlich festzuhalten, um belastbare Beweise in der Hand zu haben, denn diese kann man sich dann immer wieder vor Augen führen. Professionelle Hilfe sollte man aber dann suchen, wenn bereits eine Folgeerkrankung des Hochstaplerphänomens entstanden ist, etwa eine Depression, eine soziale Angststörung oder ein Burnout. Aufmerksam werden sollte man, wenn Schlafstörungen, negatives Gedankenkreisen oder ein dauerhaft hohes Stressgefühl auftreten. Ist der Leidensdruck weniger hoch, bieten aber auch manche Ratgeberbücher oder Coaching-Programme eine gute Möglichkeit, um die Hochstaplergefühle in den Griff zu bekommen.

    4. Psychologytoday

      In einer Zeitschrift fanden sich fünf Fragen, anhand derer man entscheiden kann, ob man am Impostor-Syndrom leidet:
      Man hat das Gefühl, den bzw. die anderen nicht zu verdienen: Menschen mit dem Impostor-Syndrom sehen andere Menschen typischerweise in einem deutlich positiveren Licht als sich selbst. Während sie bei anderen leicht über Fehler und Schwächen hinwegsehen können, fallen ihnen an sich selbst überwiegend negative Eigenschaften auf. So entsteht in ihnen der Eindruck, dass ihre FreundInnen oder PartnerInnen viel wertvollere Menschen sind als sie selbst – die sie eigentlich gar nicht verdienen.
      Man hat Angst, verlassen zu werden, wenn man etwas „falsch“ macht: Menschen mit dem Impostor-Syndrom können sich nur schwer vorstellen, dass sie jemand um ihretwillen liebt, und zwar genau so, wie sie sind. Sie glauben, dass sie sich eine Freundschaft oder Partnerschaft erarbeiten bzw. verdienen müssen, indem sie möglichst alles richtig und perfekt machen.
      Man bräuchte mehr Bestätigung, als man bekommt: „Ich liebe dich“, „ich bin gerne mit dir zusammen“, „unsere Freundschaft bedeutet mir alles“ – Menschen mit Impostor-Syndrom würden so etwas am liebsten ständig von ihren Liebsten hören. Ihre Selbstzweifel sind häufig so stark, dass es ihnen nicht genügt, wenn jemand Zeit mit ihnen verbringt oder mit ihnen zusammen ist, um sie davon zu überzeugen, dass diese Person das gerne tut bzw. ist. Bekommen sie keine ausdrückliche Bestätigung von ihren FreundInnen oder PartnerInnen, fürchten sie sofort, die Beziehung könnte gefährdet sein, weil der andere Part nun festgestellt hat, dass sie nicht gut genug sind.
      Man sieht, was man nimmt, aber nicht, was man gibt: Wer das Hochstapler-Syndrom hat, ist typischerweise blind für das, was er oder sie leistet und gibt – aber keineswegs für das, was er bzw. sie bekommt. In einer Beziehung nehmen Betroffene sehr genau wahr, was andere für sie tun, blenden dabei aber völlig aus, was sie für andere tun, bzw. spielen es herrunter und werten es ab. Dadurch haben sie beständig das Gefühl, ihren Lieben etwas schuldig zu sein und sich revanchieren zu müssen, auch wenn sich die Beziehung eigentlich in einem Gleichgewicht befindet.
      Man hat das Gefühl, eine Rolle spielen zu müssen, um gemocht zu werden: Menschen mit dem Hochstapler-Syndrom glauben nicht, dass sie liebenswert und wertvoll sind, ohne dafür etwas zu tun. Sie sehen ihren Wert und ihre Besonderheit nicht in ihrer Identität, ihrer Einzigartigkeit oder ihrer Emotionalität, sondern meinen, sich Liebe und Respekt durch bestimmte Leistungen und Performance verdienen zu müssen. Auch in engen Beziehungen neigen sie daher oft dazu, eine Rolle zu spielen, in der sie versuchen, es anderen stets recht zu machen und die Person zu sein, von der sie glauben, die anderen würden sie sich wünschen. Wer das Impostor-Syndrom hat, denkt, er bzw. sie würde abgelehnt und verlassen, wenn ihr bzw. sein wahres Ich durchblitzt. Weil dann alle erkannten, was sie selbst über sich zu wissen meinen: Dass sie weder wertvoll noch liebenswert wären. Doch natürlich ist das ein gewaltiger Irrtum.

    5. Sonja Rohrmann, Professorin für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik

      Sonja Rohrmann, Professorin für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik, sagt dazu in einem Interview: Betroffene haben das Gefühl, dass sie ihren beruflichen Erfolg nur Timing, Glück oder äußeren Umständen verdanken, nicht aber ihrer eigenen Kompetenz. Deshalb handelt es sich im Grunde um Tiefstapler, auch wenn landläufig vom Hochstapler-Syndrom die Rede ist. Betroffene sind trotz ihres Erfolgs und der hohen Anerkennung durch Kollegen davon überzeugt, andere zu blenden und in Wahrheit inkompetent zu sein, eine Maske zu tragen. Sie wehren Lob ab, fischen damit aber nicht nach Komplimenten. Sie wollen Erwartungen tatsächlich gering halten, weil sie befürchten, sie ansonsten in Zukunft vielleicht nicht erfüllen zu können. Diese tiefgreifenden Selbstzweifel sind kulturübergreifend, aber vor allem in den westlichen leistungs- und wettbewerbsorientierten Gesellschaften verbreitet. Man schätzt, dass etwa die Hälfte der erfolgreichen Menschen solche Gedanken kennt. Untersuchungen zufolge sind etwa zwei Drittel der Ärzte betroffen, besonders stark auch Studierende und Wissenschaftler. Es kann dazu führen, dass das eigene Potenzial in Ausbildung und Beruf nicht ausgeschöpft wird. Diese Menschen meiden Aufgaben, bei denen sie scheitern könnten. Betroffene schlagen deshalb häufig Karrierechancen aus, weil sie sich für unfähig halten und verharren deshalb auf Positionen unterhalb ihres Leistungsniveaus, was sie später manchmal bereuen. Impostor verfolgen oft zwei unterschiedliche Arbeitsstrategien. Die Perfektionisten investieren sehr viel Zeit in die Arbeit und arbeiten extrem sorgfältig. Sie sind deshalb sehr beliebte Mitarbeiter. Prokrastinierer schieben Aufgaben lange auf und arbeiten dann Tag und Nacht durch. Das Aufschieben dient quasi als Selbstschutz. Man hat dann im Fall des Scheiterns eine gute Entschuldigung, warum es gar nicht klappen konnte. Haben sie die Arbeit dann doch erfolgreich erledigt, fühlen sich Tiefstapler nur ganz kurz erleichtert. Denn den Erfolg schreiben sie der harten Arbeit beziehungsweise dem Zufall zu und bei der nächsten Aufgabe setzt wieder die Angst ein zu versagen. Die ständigen Selbstzweifel führen dazu, dass sich diese Menschen verausgaben. Die vermeintlichen Hochstapler leiden unter einer hohen Stressbelastung, aber erholen sich in der Freizeit nicht, schlafen schlecht, vernachlässigen soziale Kontakte. Das kann bis zu Burn-out und Depressionen führen. Das Impostor-Konzept ist ein dimensionales Persönlichkeitsmerkmal, es kann also von sehr schwach bis sehr stark ausgeprägt sein. Es kann sich auch je nach Lebenslage verändern. Zwar gilt der Grundsatz: einmal Tiefstapler immer Tiefstapler. Aber die Selbstzweifel sind häufig besonders stark in jüngeren Jahren ausgeprägt, wenn Menschen noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Der Effekt kann im Alter nachlassen, wenn man länger in Führungspositionen war und sich stärker auf die Mitarbeiter und weniger auf sich selbst konzentriert. Ein kritisches Niveau ist dann erreicht, wenn der Leidensdruck zu groß wird, der Erfolg zu hart erkauft wird und die Work-Life-Balance nicht mehr gegeben ist, so dass Körper und Psyche zu stark belastet werden. Man kann dann folgendes tun: Schreiben Sie Ihre Erfolge auf: Was haben Sie während des Studiums, in der Ausbildung und im Job gut gemacht? Schätzen Sie Ihre Erfolge realistisch ein, gern auch im direkten Vergleich mit anderen und zwar nicht nur der absoluten Spitze. Tiefstapler vergleichen sich gern mit den oberen drei Prozent der Leistungsträger und fühlen sich dann schnell als Versager. Dabei ignorieren sie aber die große Masse derjenigen, die schlechter abschneiden als sie selbst. Tiefstapler neigen dazu, sich an die Misserfolge zu erinnern und die Erfolge zu vergessen. Gespräche sind Schall und Rauch. Deshalb bleibt Lob oft nicht hängen. Betroffene erinnern sich nach einem Vortrag vielleicht nicht an den Applaus, sondern an die beiden Versprecher, die passiert sind. Dann verallgemeinern sie: Der ganze Vortrag war schlecht. Wenn man Erfolge aufschreibt – gern einmal pro Quartal – merkt man, dass viele Gedanken verzerrt sind. Impostor sollten auch mit Freunden und Verwandten sprechen, um ihr verzerrtes Selbstbild zu korrigieren. Supervision und Coaching können ebenfalls helfen, ein verinnerlichtes Selbstwertgefühl aufzubauen. Gerade Männer sprechen oft nicht gern über ihre Probleme. Für sie ist es unglaublich entlastend, wenn sie feststellen, dass andere erfolgreiche Menschen auch darunter leiden, sie sich quasi in bester Gesellschaft befinden. Kollegen können zwar ebenfalls helfen, sich sollte man aber schon vorsichtig sein, dass es solche sind, die einem wohlgesonnen sind, damit die Schwäche nicht ausgenutzt wird. Viele Menschen wollen auf keinen Fall, dass jemand von ihren Selbstzweifeln erfährt. Sie wollen als kompetent und selbstbewusst wahrgenommen werden und haben große Angst davor, enttarnt zu werden. Das Impostor-Konzept hat auch positive Seiten. Tiefstapler sind ganz hervorragende Führungspersönlichkeiten, weil sie kein überzogenes Selbstbewusstsein haben. Sie gehen viel toleranter mit Mitarbeitern um als Chefs, die sich für überlegen halten. Sie sind überdurchschnittlich motiviert, reflektieren sehr intensiv, sind in der Regel bescheiden, drängen sich nicht in den Vordergrund und leisten hervorragende Arbeit – das sind Mitarbeiter, wie man sie sich wünscht. Vorgesetzte sollten ihren stillen Leistungsträgern aber nicht unter die Arme greifen, denn Tiefstapler wollen ja nicht auffallen und auch nicht den Neid der Kollegen auf sich ziehen. Aber es hilft schon, wenn Vorgesetzte sich des Problems bewusst sind, die überdurchschnittliche Leistung nicht als selbstverständlich hinnehmen und auch mal darauf bestehen, dass man pünktlich Feierabend macht.

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