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erlernte Hilflosigkeit

    Erlernte Hilflosigkeit bezeichnet das Phänomen, dass Menschen und auch Tiere nach Erfahrungen der Hilflosigkeit oder Machtlosigkeit ihr Verhaltensrepertoire dahingehend einengen, dass sie diese als unangenehm erlebte Zustände nicht mehr abstellen, obwohl sie es objektiv betrachtet könnten.
    Der Begriff wurde 1967 von  Martin E. P. Seligman und Steven F. Maier geprägt. Nach Seligmans werden Depressionen durch Gefühle der Hilflosigkeit mitbedingt, die auf unkontrollierbare, aversive Ereignisse folgen. Entscheidend für die erlebte Kontrollierbarkeit von Ereignissen sind die Ursachen, auf die die Person ein Ereignis zurückführt. Nach Seligman führen Attributionen aversiver Ereignisse auf internale, globale und stabile Faktoren zu Gefühlen der Hilflosigkeit, die wiederum zu Depressionen führen. Mittels Seligmans Modell lässt sich die hohe Komorbidität zu Angststörungen erklären: Allen Angststörungen ist gemein, das die Personen ihre Angst nicht oder sehr schlecht kontrollieren können, was zu Hilflosigkeits- und im Verlauf der Störung auch zu Hoffnungslosigkeitserfahrungen führt. Diese sind laut Seligman ursächlich für die Entstehung von Depressionen.

    Nach Borwin Bandelow (Universität Göttingen) empfindet ein Opfer der Internetkriminalität wie jemand, dem die Wohnung ausgeraubt wurde, während er schlief: Angst, Wut, Machtlosigkeit, denn im Internet gibt es weder Vorhängeschloss noch Wachhund. Wer die Mechanismen des Datendiebstahls nicht durchschaut, ist wie gelähmt und wehrt sich oft nicht gegen das erfahrene Unrecht. Zwar machen sich neun von zehn UserInnen Sorgen um die Sicherheit im Netz, aber fast ebenso viele fühlen sich machtlos, denn sie glauben nicht daran, dass Cyberkriminelle überhaupt jemals zur Rechenschaft gezogen werden. Daher geht nur jedes zweite Opfer zur Polizei, aber die meisten nehmen es einfach hin.


    Praktisches: Je mehr Menschen hilflos sind, mit sich hadern und sich vor Augen führen, wie schrecklich alles in der Welt ist, desto schlechter geht es ihnen. Besser ist es daher, die aktuelle Situation radikal zu akzeptieren, da man sowieso nichts daran ändern kann, denn wenn man die ganze Zeit mit seiner Hilflosigkeit hadert, geht es den Menschen in der Regel nur noch schlechter. Die Frage ist daher eher, wie man die Kontrolle zurück bekommen kann, was auch viele Menschen intuitiv tun. So sind etwa während einer Pandemie Hamsterkäufe im Grunde ein Versuch, die Kontrolle zu erlangen, was letztlich aber nicht so konstruktiv ist. Sinnvoller ist es sich zu fragen: Wie strukturiere ich meinen Tag? Was kann ich mir Gutes zu tun?


    Basis der Theorie der erlernten Hilflosigkeit waren Tierstudien von Martin Seligman in den 1970ern, bei denen er mit anderen das Prinzip bei Hunden untersuchte. Die Hunde bekamen kurze elektrische Schocks, die sie aber selbst durch die richtige Reaktion beenden konnten, indem sie einen Hebel betätigten. Gleichzeitig bekam eine andere Gruppe die Schocks, konnte sie jedoch durch die Reaktion am Hebel nicht abstellen. Zur Kontrolle gab es eine weitere Gruppe Hunde, die in einer ähnlichen Umgebung waren, aber keine Schocks erhielten. Alle drei Gruppen kamen danach in eine zweite Versuchsanordnung, in der sie zwar Elektroschocks bekamen, aber durch eine Klapptür in eine angrenzende Box ausweichen konnten, in der sie ihre Ruhe hatten. Doch nicht alle Hunde reagierten gleich auf diese Ausweichmöglichkeit, denn die Tiere, die im ersten Versuch ihre Schocks nicht abstellen konnten, obwohl sie am Hebel richtig reagierten, wurden lethargisch und blieben oft in der Box liegen und ließen die Schocks über sich ergehen, ohne den Versuch vor ihnen zu fliehen. Manche lernten nur sehr langsam ein Flucht- und Vermeidungsverhalten. Die Tiere der anderen Gruppen lernten schnell, den Schocks durch den Wechsel in die Box nebenan zu entgehen und bald, dass sie auch dort verharren konnten, um vor den Schocks sicher zu sein, wobei die Tiere, die im ersten Versuch aktiv die Schocks abstellen konnten, noch schneller als in der Kontrollgruppe lernte. Daraus schloss man, wie sehr Erfahrungen von Ohnmacht oder Kontrolle für zukünftige Herausforderungen prägend sein können.

    Literatur

    Breitkopf, L. (1985). Die Hilflosigkeitsskala. Diagnostica, 31, 221-233.
    Seligman, Martin E. P. (1979). Erlernte Hilflosigkeit. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg.
    https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Depression.shtml (10-09-98)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Erlernte_Hilflosigkeit (12-11-21)


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    Ein Gedanke zu „erlernte Hilflosigkeit“

    1. Sackl, Dr., Gabriela

      Gut. Wahr. Mich (Mediz. und Psy-, Psychiatrie) wundert je nur eins: WIE kann man Menschen Grundsatzwissen um Rechte lehren bzw. nachreifen,-lernen lassen?,d.h.es ist eh alles „eins“,nur:Resilienz kommt von erfahrenen Wurzeln, sonst sind es „leere Worte, Lehren“ für die meisten,oder: Ethikbewusstsein – kommt woher?, etc.- d.h. Gesundungs-Potential—vorher? DAS würde mivch intressieren. Meine eigene „Sturheit“ zu vielen „fremden“ Systemen die Individualität, Ausdruck, etc. berauben, kommt von daher, dass ich sehr viel von Authentizität erfahren habe Kindheit ab, den Pat. viel weitergab (sagen sie),aber nur 1 x, jetzt, an ultraharten Systemen, die abwehren, verwirren, verdrehen, stecken blieb und nach Ruhephase erst wieder sammeln muss und die Phase der Ressource „Zorn“ abwarten muss.-Für Gesellschaftliches UBW: wie nährt man das „Rechts“Gefühl, das mE nahe an Macht/Ohnmacht/Hilflosigkeit liegt, nach,-foren? (mein Onkrel tat es Jahrzehnte in ernstem Gebiet vorher in Wien).
      MfG
      Sackl Gabriela

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